EuG v. 19.11.2025 - T-367/23
Amazon Store ist "sehr große Online-Plattform"
Der Beschluss der EU-Kommission, mit dem die Plattform Amazon Store als "sehr große Online-Plattform" benannt wurde, bleibt wirksam. Die durch das Gesetz über digitale Dienste auferlegten Verpflichtungen stellen zwar einen Eingriff in die unternehmerische Freiheit dar. Dieser gesetzlich vorgesehene Eingriff ist jedoch im Sinne der Charta der Grundrechte gerechtfertigt.
Der Sachverhalt:
Das Gesetz über digitale Dienste (Verordnung (EU) 2022/2065) erlegt Anbietern bestimmter Dienste, die von der EU-Kommission als "sehr große Online-Plattformen" oder "sehr große Online-Suchmaschinen" eingestuft wurden, besondere Verpflichtungen auf, da sie die Schwelle von 45 Mio. Nutzern in der EU (d.h. 10 % der Bevölkerung der Union) überschreiten. Die Amazon EU Sàrl, die die Plattform Amazon Store betreibt, beantragte die Nichtigerklärung des Beschlusses, mit dem die Kommission diese Plattform als "sehr große Online-Plattform" im Sinne dieses Gesetzes benannt hatte.
Amazon stellt die Rechtmäßigkeit der Bestimmung des Gesetzes in Abrede, die festlegt, welche Online-Plattformen, einschließlich Marktplätzen, als große Online-Plattformen zu benennen sind, und diese besonderen Verpflichtungen in Bezug auf Transparenz, Zusammenarbeit und Zugang zu Daten unterwirft. Nach Ansicht von Amazon verletzt diese Bestimmung mehrere durch die Charta der Grundrechte der EU garantierte Grundrechte, darunter insbesondere die unternehmerische Freiheit, das Eigentumsrecht, den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz, die Freiheit der Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit sowie das Recht auf Privatsphäre und auf Schutz vertraulicher Daten.
Das EuG wies die Klage ab.
Die Gründe:
Die durch das Gesetz über digitale Dienste auferlegten Verpflichtungen stellen zwar einen Eingriff in die unternehmerische Freiheit dar. Dieser gesetzlich vorgesehene Eingriff ist jedoch im Sinne der Charta der Grundrechte gerechtfertigt. Der Unionsgesetzgeber hat im Rahmen seines weiten Beurteilungsspielraums keinen offensichtlichen Fehler begangen, als er davon ausging, dass sehr große Online-Plattformen, einschließlich Marktplätzen mit mehr als 45 Mio. Nutzern, systemische Risiken für die Gesellschaft darstellen können (etwa durch die Verbreitung illegaler Inhalte oder die Verletzung von Grundrechten). Die den Plattformen auferlegten Verpflichtungen - wie diejenigen in Bezug auf die Empfehlungsoption ohne Profiling, das öffentliche Werbearchiv oder den Zugang von Forschern zu bestimmten Daten - zielen darauf ab, diese Risiken zu verhindern, auch wenn sie für die genannten Plattformen mit erheblichen wirtschaftlichen Belastungen verbunden sind.
Weiterhin stellen die durch das Gesetz über digitale Dienste auferlegten Verpflichtungen in erster Linie administrative Belastungen dar, die den Anbietern sehr großer Online-Plattformen nicht das Eigentum an ihren Plattformen entziehen. Selbst wenn ein Eingriff in dieses Recht festgestellt werden sollte, wäre dieser zudem durch die vom Unionsgesetzgeber verfolgten Ziele der Verhinderung systemischer Risiken gerechtfertigt.
Hinsichtlich des Gleichheitsgrundsatzes ist festzuhalten, dass der Unionsgesetzgeber über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügte, um sehr große Online-Plattformen einheitlich zu behandeln, und zwar einschließlich Marktplätzen, da auch diese systemische Risiken für die Gesellschaft darstellen können. Außerdem ist die im Gesetz über digitale Dienste vorgenommene Unterscheidung zwischen Online-Plattformen nach ihrer Nutzerzahl weder willkürlich noch offensichtlich ungeeignet, um diese Risiken zu verhindern, da Online-Plattformen mit mehr als 45 Mio. Nutzern eine große Anzahl von Personen illegalen Inhalten aussetzen können.
Die Verpflichtung für sehr große Online-Plattformen, eine Empfehlungsoption ohne Profiling anzubieten, kann zwar die Art und Weise einschränken, wie die auf diesen Plattformen vermarkteten Produkte präsentiert werden können; ein solcher Eingriff in die Freiheit der Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit ist jedoch gerechtfertigt. Diese gesetzlich vorgesehene Maßnahme berührt nicht den Wesensgehalt der Freiheit der Meinungsäußerung und verfolgt ein legitimes Ziel des Verbraucherschutzes. Somit konnte der Unionsgesetzgeber, ohne seinen erheblichen Beurteilungsspielraum zu überschreiten, die diesen Plattformen zukommende Freiheit der Meinungsäußerung im gewerblichen Bereich gegen den Verbraucherschutz abwägen.
Die Verpflichtungen zur Transparenz hinsichtlich der Werbung und zum Zugang von Forschern zu bestimmten Daten stellen zwar einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens und auf den Schutz vertraulicher Informationen dar; dieser ist jedoch gesetzlich vorgesehen, verhältnismäßig und durch ein Ziel von allgemeinem Interesse gerechtfertigt, nämlich die Verhinderung systemischer Risiken, um insbesondere zu einem hohen Verbraucherschutzniveau beizutragen. Der öffentliche Zugang zu dem Archiv ist streng geregelt, während der Zugang für Forscher strengen Sicherheits- und Vertraulichkeitsgarantien unterliegt.
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