OLG Celle v. 21.8.2025 - 5 U 271/23

Voraussetzungen für fristlose Kündigung eines Nutzerkontos in einem sozialen Netzwerk (hier: Facebook)

Die fristlose Kündigung eines Nutzerkontos in einem sozialen Netzwerk, die darauf gestützt wird, dass der Nutzer bereits in der Vergangenheit Beiträge gepostet habe, die gegen die Gemeinschaftsstandards der Beklagten verstoßen hätten, setzt im Regelfall voraus, dass ihm im Rahmen dieser früheren Vorfälle von Seiten der Beklagten erläutert worden ist, aus welchen Gründen die Beklagte meint, dass die jeweiligen Posts gegen ihre Gemeinschaftsstandards verstoßen.

Der Sachverhalt:
Der Kläger unterhielt seit 2010 auf Facebook ein privates Nutzerkonto. Der Kläger hatte während der Corona-Pandemie mehrere Beiträge gepostet, in denen er Videos eingebettet hatte, die sich kritisch mit Coronaimpfstoffen auseinandersetzten. Die Beklagte entfernte sämtliche Beiträge und schränkte zeitweise die Nutzung des Kontos ein. Am 29.11.2021 erhielt der Kläger die Mitteilung, dass sein "Konto" gesperrt worden sei. Begründet wurde dies damit, dass er in seinen veröffentlichten Beiträgen gegen die Gemeinschaftsstandards verstoßen habe. Er war vorher über die beabsichtigte Deaktivierung seines Nutzerkontos nicht informiert worden.

Der Kläger legte Widerspruch ein, erhielt darauf aber nur die Nachricht, dass er eine Überprüfung beantragt habe. Zum damaligen Zeitpunkt sahen die Nutzungsbedingungen aus dem Jahr 2018 noch keine Vorabinformation des Nutzers über eine beabsichtigte Sperre oder eine vollständige Kontodeaktivierung vor. Erst mit Wirkung vom 26.7.2022 wurden die Nutzungsbedingungen geändert.

Das LG hat die Beklagte verurteilt, das Profil des Klägers wieder zu aktivieren und die Klage im Übrigen abgewiesen. Der Kläger forderte im Berufungsverfahren weiterhin, die Beklagte zu verurteilen, die bei ihr gespeicherten Daten des Klägers dahingehend zu berichtigen, dass alle Lösch- und Sperrvermerke aus dem Nutzerdatensatz gelöscht werden und den Zähler, der die den einzelnen Sperren zugrunde liegenden Verstöße erfasst, vollständig zurück zu setzen. Außerdem verlangte er die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Die Beklagte beantragte, die Entscheidung des LG vollständig abzuweisen.

Das OLG hat die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Gründe:
Nach abschließender Prüfung stellte sich die Sach- und Rechtslage so dar, dass die Berufungsbegründung des Klägers in Bezug auf den Hauptsacheantrag tatsächlich nicht den Anforderungen entsprach, die der BGH an eine solche in formaler Hinsicht stellt.

Auch die zulässige Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Entgegen ihrer Auffassung war die Beklagte nicht berechtigt, in Bezug auf das Nutzerkonto des Klägers eine fristlose Kündigung, also eine solche ohne vorherige Abmahnung, auszusprechen. Die fristlose Kündigung eines Nutzerkontos in einem sozialen Netzwerk, die darauf gestützt wird, dass der Nutzer bereits in der Vergangenheit Beiträge gepostet habe, die gegen die Gemeinschaftsstandards der Beklagten verstoßen hätten, setzt im Regelfall voraus, dass ihm im Rahmen dieser früheren Vorfälle von Seiten der Beklagten erläutert worden ist, aus welchen Gründen die Beklagte meint, dass die jeweiligen Posts gegen ihre Gemeinschaftsstandards verstoßen. Denn ansonsten hat der Nutzer keine Möglichkeit, sein zukünftiges Verhalten an die Beurteilung der Beklagen an die Auslegung ihrer Gemeinschaftsstandards anzupassen.

Der bloße Umstand, dass - wie hier - sowohl die früheren Posts des Klägers wie auch der nunmehr streitgegenständliche sich inhaltlich mit der "Corona-Thematik" befassen, war allein noch nicht ausreichend. Denn selbstverständlich sind Wortbeiträge von Nutzern denkbar, die sich inhaltlich mit der Thematik "Corona" auseinandersetzen und (dennoch) mit den Gemeinschaftsstandards der Beklagten im Einklang stehen. Wo konkret in einem solchen Fall ("Wortbeitrag zu der Corona-Thematik") aus ihrer Sicht die Grenzen liegen, hätte die Beklagte dem Kläger vorab mitteilen müssen. Macht sie das aber - wie hier - nicht, kann sie nicht nachträglich argumentieren, dass - wie sie es hier, unjuristisch formuliert, macht - der Kläger "unbelehrbar" sei.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 29.09.2025 16:13
Quelle: Niedersächsisches Landesjustizportal

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