OLG Frankfurt a.M. v. 14.8.2025 - 6 W 108/25

Verstoß gegen das Zuweisungsverbot durch Plattform für medizinisches Cannabis

Erlaubt eine Plattform zum Vertrieb von medizinischem Cannabis zwar auch eine Auswahl einer beliebigen Apotheke zur Rezepteinlösung, stellt dies trotzdem dann einen Verstoß gegen § 11 Abs. 1 ApoG dar, wenn die konkrete Ausgestaltung des Bestellprozesses den Nutzer dahin lenkt, eine Einlösung bei einer Kooperationsapotheke des Plattformbetreibers vorzunehmen. Die teilnehmende Apotheke haftet durch ihre Mitwirkung als Täterin.

Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin betreibt eine telemedizinische Internet-Plattform, über die Patienten in Deutschland u.a. Online-Rezepte (z.B. auch für medizinisches Cannabis) und Krankschreibungen erhalten können. Der Antragsgegner betreibt eine lokale Apotheke und ist zudem im Versandhandel mit medizinischem Cannabis tätig. Die am vorliegenden Verfahren nicht beteiligte Y Ltd. mit Sitz in Großbritannien betreibt die Telemedizin-Plattform Q, die auf den deutschen Markt ausgerichtet ist. Über diese Online-Plattform bietet sie Patienten Zugang zu medizinischer Beratung, Rezepten und Versand von Medikamenten an. Im Rahmen des Bestellablaufs bietet Q bei der Auswahl der Versandart grundsätzlich einerseits einen "Premium-Lieferservice" an, bei dem eine Auswahl der Apotheke durch die Q erfolgt, die die Rezepte hierzu an die mit der Plattform vertraglich verbundene Apotheken wie den Antragsgegner weiterleitet. Als zweite Versandoption wird grundsätzlich "Abholung in der Apotheke" angeboten, wozu ein elektronisches Rezept übersandt wird.

Die Antragstellerin veranlasste am 10.3.2025 drei Testbestellungen von medizinischem Cannabis über Q. Bei einem dieser Testkäufe erhielt der Testkäufer nach Auswahl des Premium-Lieferservices medizinisches Cannabis vom Antragsgegner per Post zugesendet, der als Versender auf dem Paket erkennbar war. Eine Rechnung war der Lieferung nicht beigefügt. Vor Erhalt des Medikaments hatte der Testkäufer keine Kenntnis davon, welche Apotheke seine Verschreibung ausführt. Er hatte lediglich den geschuldeten Betrag (für das Rezept, die Medikamente und deren Lieferung) an Q gezahlt. Der Testkäufer fragte die ausführende Apotheke nach einer Rechnung. Daraufhin wurde ihm mitgeteilt, dass die Apotheke auf Anweisung von Q keine Rechnung ausstellen dürfe und der Testkäufer eine Rechnung bei Q anfordern müsse, was dieser auch tat.

Das LG wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gab das OLG dem Antrag statt und untersagte es dem Antragsgegner, eine Absprache mit Q hinsichtlich des Premium-Services zu unterhalten, die zum Gegenstand hat, dass der Antragsgegner ärztliche Verordnungen von Q aus dem Premium-Service übersandt bekommt, der Antragsgegner das Medikament versendet sowie die Bezahlung des Antragsgegners durch Q erfolgt und Q die Auswahl der Apotheke selbstständig ohne Beteiligung des Patienten vornimmt.

Die Gründe:
Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 3a UWG i.V.m § 11 Abs. 1 ApoG zu, da der Antragsgegner mit dem Betreiber der Plattform Q eine Vereinbarung getroffen hat, die die bevorzugte Lieferung bestimmter Arzneimittel zum Inhalt hatte.

Q zeigt zwar zwei verschiedene Wege der Bestellung aufzeigt: Auf der Plattform wird sowohl bei der Option "Premium-Service" als auch bei der Option "Elektronisches Rezept" (ohne Medikamente)“ die ärztliche Verschreibung dem Patienten nicht ausgehändigt, sondern direkt an die Apotheke weitergeleitet. Während im Rahmen der Option "Premium-Service" die Plattform die Auswahl einer bestimmten Apotheke vornimmt, nimmt der Patient im Rahmen der Option "Elektronisches Rezept (ohne Medikamente)" selbst die Auswahl einer Apotheke vor. Durch die Auswahlmöglichkeit und dadurch, dass der Patient im Rahmen der zweiten Option eine bestimmte Apotheke auswählen kann, worauf er auch ausdrücklich hingewiesen wird, ist auf den ersten Blick die frei Apothekenwahl für den Kunden gewährleistet.

Die Apothekenwahlfreiheit des Patienten wird allerdings durch die konkrete Gestaltung und Funktionalität der Plattform Q in unzulässiger Weise beeinträchtigt. Schon auf dieser Eingangsseite wird dem Patienten ausschließlich der Premium-Service vorgestellt und damit empfohlen. Bereits hier wird der Patient inhaltlich darauf eingestellt, dass die Lieferung des Medikaments durch eine vom Betreiber ausgewählte oder mit ihm kooperierende Apotheke erfolgt. Es wird nämlich als selbstverständlich dargestellt, dass die Lieferung - ohne jedes weitere Zutun des Patienten - innerhalb von ein bis zwei Werktagen durch irgendeine, nicht vom Patienten bestimmte oder bestimmbare Apotheke erfolgt. Der Hinweis auf die automatische Lieferung des Medikaments wird in den nachfolgenden, stichpunktartig geordneten Vorzügen noch verdeutlicht. Zudem fehlt in der Rubrik "Fragen & Antworten" eine Angabe zur Lieferung des Medikaments durch eine Apotheke; das Thema "Apotheke" ist vielmehr überhaupt nicht berührt.

In der Gesamtschau stellt sich die Gestaltung des Bestellvorgangs nicht diskriminierungsfrei dar. Vielmehr ist der gesamte Bestellprozess darauf angelegt, den Nutzer weg von der freien Apothekenwahl und hin zur Bestellung bei den Partnerapotheken der Plattform zu führen. Nach alldem ist festzuhalten: Erlaubt eine Plattform zum Vertrieb von medizinischem Cannabis zwar auch eine Auswahl einer beliebigen Apotheke zur Rezepteinlösung, stellt dies trotzdem dann einen Verstoß gegen § 11 Abs. 1 ApoG dar, wenn die konkrete Ausgestaltung des Bestellprozesses den Nutzer dahin lenkt, eine Einlösung bei einer Kooperationsapotheke des Plattformbetreibers vorzunehmen. Die teilnehmende Apotheke haftet durch ihre Mitwirkung als Täterin.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 16.09.2025 16:43
Quelle: LaReDa Hessen

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