LG Düsseldorf v. 4.9.2025 - 8 O 329/21

Zur Frage der Haftung eines Online-Brokers wegen vermeintlicher Vereitelung eines Kaufs von Aktien

Wird der Kauf von Aktien durch einen Online-Broker aufgrund einer technischen Störung, bei der eine Handelsplattform nicht zu erreichen ist, vereitelt, so haftet der Online-Broker dem Auftraggeber gegenüber nicht auf Schadensersatz. Insbesondere folgt ein solcher Anspruch nicht aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem zwischen den Parteien geschlossenen Effektenkommissionsvertrag, da der Online-Broker keine Pflicht aus diesem Vertrag verletzt hat.

Der Sachverhalt:
Der Kläger verlangt von der Beklagten, einem sog. Online-Broker, Schadensersatz wegen vermeintlicher Vereitelung eines Kaufs von Aktien. Die Beklagte bietet den Wertpapierhandel von Aktien, ETFs und Zertifikaten an. Sie nimmt Aufträge der Kunden entgegen und platziert diese an Handelsplätze. Die Nutzung des Angebots der Beklagten findet ausschließlich über eine Smartphone-App statt. Im dem zwischen den Parteien geschlossenen Rahmenvertrag ist u.a. Folgendes geregelt: "xxx bietet dem Kunden lediglich eine eingeschränkte Auswahl an handelbaren Wertpapieren sowie an Ausführungsplätzen und Ausführungswegen an. So hat xxx zur Ausführung der Kundenorders zum einen einen Anschlussvertrag mit der xxx für den Anschluss an der xxx, einem elektronischen Handelssystem an der Börse Hamburg, abgeschlossen."

Auf der Homepage der Beklagten heißt es unter der Rubrik "Auf welchem Handelsplatz werden meine Orders ausgeführt?" wie folgt: "Der Handel der Aktien und ETFs in der xxx erfolgt über das an der Börse Hamburg betriebene elektronische Handelssystem LS Exchange. Die Kursqualität wird börslich überwacht. Die Spreads sind an den Referenzmarkt XETRA, soweit dort handelbar, gebunden. Bei einem Ausfall der Handelssysteme von LS Exchange, weichen wir für den Handel von ETFs und Aktien auf Tradegate aus."

Der Kläger, der Kunde der Beklagten ist, verfügte am Morgen des 28.1.2021 über 50 Aktien des Unternehmens Xxx SE in seinem Depot. Um 7:36 Uhr erteilte der Kläger der Beklagten eine Kauforder über 100 weitere Wertpapiere dieses Unternehmens zu einem Kurs von 86,94 €. Diese Order ging der Beklagten zu und erhielt eine Ordernummer. In seiner App wurde dem Kläger die Meldung "Order platziert Wir haben Deine Markt Kauforder platziert" angezeigt. Infolge der Ordererteilung wurde von der Beklagten der für die Order aufzuwendende Betrag i.H.v. 8.694 € von dem Guthaben des Klägers in seinem Depot (in der App als "nicht investierter Betrag" bezeichnet) abgezogen. Dieser Betrag, der, fortan als investierter Betrag galt, stand dem Kläger ab diesem Zeitpunkt nicht für andere Investitionen zur Verfügung. Nach Absenden der Order wurde dem Kläger in der App der Beklagten angezeigt, dass die Order noch nicht ausgeführt worden sei; sie war unter Preis "Bestens" angegeben. Aus diesem Grund wandte sich der Kläger um 9:09 Uhr an die Beklagte. Die Kauforder des Klägers wurde letztlich nicht ausgeführt.

An diesem Handelstag gab es eine technische Störung, die sich auf den Handel auswirkte. Die weiteren Umstände, insbesondere, ob auch die Order des Klägers hiervon betroffen war, stehen zwischen den Parteien im Streit. Weitere Aufträge des Klägers am Abend desselben Tages konnten, da zwischenzeitlich keine Beschränkungen mehr vorlagen, ausgeführt werden. Der Kläger verlangt von der Beklagten Ersatz des ihm durch die Nichtausführung der Kauforder zu den 100 Xxx-Aktien entstandenen Schadens. Die Beklagte lehnte ihre Ersatzpflicht ab. Sie ist der Ansicht, ihre Pflichten aus dem Kommissionsvertrag nicht verletzt zu haben. Technische Schwierigkeiten wie ein Ausfall der Börse seien das Risiko des Kommittenten, da die Börse ein Marktplatz und nicht Erfüllungsgehilfe der Banken sei. Nach dem Vertrag mit dem Kläger sei sie zur Bereitstellung eines anderen Handelsplatzes als XXX nicht verpflichtet gewesen.

Das LG wies die Klage ab.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Schadensersatz, insbesondere folgt ein solcher Anspruch nicht aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem zwischen den Parteien geschlossenen Effektenkommissionsvertrag oder § 385 Abs. 1, 1. Halbs. HGB. Zwar ist zwischen den Parteien mit der Auftragserteilung am 28.1.2021 um 7:36 Uhr und der Mitteilung der Beklagten an den Kläger, dass sie die Kauforder platziert habe, ein Effektenkommissionsvertrag i.S.d. §§ 383 ff. HGB zustande

Nach § 384 Abs. 1 HGB ist der Kommissionär verpflichtet, das übernommene Geschäft mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes auszuführen, bei der Ausführung das Interesse des Kommittenten wahrzunehmen und dessen Weisungen zu befolgen. Die primär geschuldete Auftragsausführung umfasst zum einen das Bemühen um die Herbeiführung eines dem Kommissionsauftrag inhaltlich entsprechenden Ausführungsgeschäfts und zum anderen die Wahrnehmung einer sich am Kapital- bzw. Terminmarkt bietenden Abschlussgelegenheit. Aufgrund ihrer Bemühungspflicht muss die Bank alle Maßnahmen treffen, die erforderlich sind, um im Kundeninteresse günstige Marktchancen wahrzunehmen und auf den Abschluss eines Ausführungsgeschäfts hinzuwirken. Der Abschlusserfolg ist grundsätzlich nicht Gegenstand des bankseitigen Leistungsversprechens, da es sich um eine Geschäftsbesorgung mit Dienstleistungscharakter handelt. Anbieter von Online-Trading-Diensten sind gehalten, die technischen Voraussetzungen für eine reibungslose Abwicklung zu schaffen.

Kann der Kommissionär den Kommissionsauftrag nicht ausführen, weil ihm der Abschluss des Ausführungsgeschäfts nicht möglich ist, wird der Kommissionär von seiner Leistungspflicht nach § 275 Abs. 1 BGB frei. Nach allgemeinen Grundsätzen obliegt es dem Kommissionär darzulegen und zu beweisen, dass Unmöglichkeit i.S.d. § 275 Abs. 1 BGB vorlag. Nach diesen Grundsätzen war der Beklagten der Abschluss des Ausführungsgeschäfts nicht möglich. Denn es steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur vollen Überzeugung des Gerichts, die vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet (§ 286 Abs. 1 S. 1 ZPO), fest, dass die Ausführung des klägerischen Auftrags vom 28.1.2021, 7:36 Uhr, 100 Aktien der Xxx SE zu platzieren, der Beklagten nicht möglich war, da die Handelsplattform XXX aufgrund einer technischen Störung im Zeitraum von 7:35 Uhr bis 16:55 Uhr nicht zu erreichen war.

Die Beklagte war auch nicht gehalten, auf den Handelsplatz Tradegate, der erreichbar war, auszuweichen. Die Bestimmung des Zeitpunktes, bis zu dem die Kommissionsbank die geschuldete Leistungshandlung vorgenommen haben muss, richtet sich nach dem Grundsatz schnellstmöglicher Auftragsausführung, da sich mit jeder Verzögerung das Kursrisiko des Kunden erhöht. Die Maßstäbe sind umso strenger, je volatiler ein Marktsegment ist und je konkreter sich die Bank zur Ausführungsgeschwindigkeit in ihrer Kundenwerbung äußert.

Unabhängig davon, ob die Parteien vorliegend eine entsprechende Vereinbarung getroffen haben bzw. die Beklagte aufgrund des Eintrages auf ihrer Website eine Verpflichtungserklärung / Garantie für ein Ausweichen auf einen anderen Handelsplatz im Falle eines Ausfalls der Handelssysteme der XXX abgegeben hat, war die Beklagte mit Blick auf die gerichtsbekannte Volatilität von Aktiengeschäften nicht verpflichtet, eine Platzierung über einen anderen Handelsplatz in Erwägung zu ziehen. Im Übrigen bestand für die Beklagte eine unklare Situation hinsichtlich des Status der Order des Klägers. Denn der Zeuge X hat insoweit (glaubhaft) bekundet, dass aufgrund der fehlenden Rückbestätigung für die Beklagte unklar gewesen sei, was mit den Orders tatsächlich geschehen sei. Demnach sei es auch möglich gewesen, dass die Orders ausgeführt worden seien. Dies sei jedoch für die Beklagte letztlich offengeblieben.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 11.09.2025 11:12
Quelle: Justiz NRW

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