BGH v. 17.7.2025 - I ZB 82/24
Anbieter von Cloud-Diensten sind nicht Schuldner der den Urhebern zustehenden angemessenen Vergütung
Urheber haben für die bei der Nutzung von Cloud-Speichern erfolgenden Vervielfältigungen zu den nach §§ 53, 60a bis 60f UrhG privilegierten Zwecken Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung i.S.v. §§ 54, 54a UrhG. Anbieter von Cloud-Diensten sind nicht Schuldner der den Urhebern zustehenden angemessenen Vergütung, da sie nicht als Hersteller, Importeure oder Händler von Geräten oder Speichermedien i.S.v. § 54 Abs. 1, § 54b Abs. 1 und 2 UrhG anzusehen sind. Eine analoge Anwendung der Vergütungsvorschriften der §§ 54 ff. UrhG auf die Anbieter von Cloud-Diensten kommt mangels planwidriger Regelungslücke nicht in Betracht.
Der Sachverhalt:
Die antragstellende Zentralstelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ) ist ein Zusammenschluss deutscher Verwertungsgesellschaften, die urheberrechtliche Vergütungsansprüche nach § 54 UrhG für die Vervielfältigung von Audiowerken und audiovisuellen Werken geltend machen können. Sie nimmt die ihr übertragenen Rechte als abhängige Verwertungseinrichtung i.S.v. § 3 VGG im eigenen Namen wahr. Sie beantragte bei der Schiedsstelle nach dem Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten durch Verwertungsgesellschaften beim Deutschen Patent- und Markenamt (nachfolgend "Schiedsstelle")
die Durchführung einer empirischen Untersuchung zur Ermittlung der nach § 54a Abs. 1 UrhG maßgeblichen Nutzung von Clouds
sowie hilfsweise die Durchführung einer empirischen Untersuchung zur Ermittlung der nach § 54a Abs. 1 UrhG maßgeblichen Nutzung von PCs, Tablets, Mobiltelefonen, Smartwatches und Cloud-Servern zur Vornahme von "CloudKopien", das heißt von Vervielfältigungen zum eigenen Gebrauch gem. § 53 Abs. 1 oder Abs. 2 oder §§ 60a bis 60f UrhG mit einem "Cloud-Speicher" (dem digitalen Online-Speicherplatz, auf den der Cloud-Nutzer über das Internet zugreifen kann) als Quelle und/oder einem Cloud-Speicher als Ziel solcher Vervielfältigungen.
Zur Begründung führte die Antragstellerin aus, sie mache urheberrechtliche Auskunfts- und Vergütungsansprüche nach §§ 54 ff. UrhG gegen Cloud-Anbieter für den Zeitraum vom 1.1.2019 bis 31.12.2021 wegen der Überlassung von Speicherplatz im Wege des Cloud-Computings an Kunden in Deutschland geltend und beabsichtige die Aufstellung eines Tarifs für Clouds. Eine "Cloud" i.S.d. Antrags ist das von einem Cloud-Anbieter einem Cloud-Kunden in der Bundesrepublik Deutschland auf schuldrechtlicher Basis im Wege des Cloud-Computings zur Nutzung überlassene Produkt-/Leistungspaket. Der Cloud-Anbieter überlässt dem Cloud-Kunden Online-Speicherplatz, der über IT-Ressourcen bereitgestellt wird, die sich physisch nicht beim Kunden befinden.
Die Schiedsstelle wies die Anträge zurück. Gegen den Beschluss der Schiedsstelle stellte die Antragstellerin beim Bayerischen Obersten Landesgericht (BayObLG) einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 EGGVG und beantragte, den Beschluss der Schiedsstelle aufzuheben sowie auszusprechen, dass die Schiedsstelle verpflichtet ist, eine empirische Untersuchung gemäß den dort gestellten Anträgen durchzuführen. Das BayObLG wies den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurück. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des BayObLG hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Beurteilung des Bayerischen Obersten Landesgerichts, dass die Schiedsstelle nicht verpflichtet war, die mit dem Hauptantrag begehrte empirische Untersuchung gemäß § 93 VGG zur Ermittlung der nach § 54a Abs. 1 UrhG maßgeblichen Nutzung von Clouds durchzuführen, hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Die Antragstellerin hat auf die Durchführung dieser Untersuchung keinen Anspruch.
Ohne Rechtsfehler ist das BayObLG davon ausgegangen, dass die Maßgabe des § 113 Satz 1 VGG nach der die bei dem Deutschen Patent- und Markenamt gebildete Schiedsstelle die Durchführung der empirischen Untersuchung nicht ablehnen kann, nur Anträge auf empirische Untersuchungen zur Ermittlung der nach § 54a Abs. 1 UrhG maßgeblichen Nutzung i.S.d. § 93 VGG betrifft, nicht aber Untersuchungsanträge, die außerhalb dieses gesetzlichen Rahmens liegen. Untersuchungen, die nicht zur Feststellung der nach § 54a Abs. 1 UrhG maßgeblichen Nutzung geeignet sind, würden den Zweck des Verfahrens nach § 93 VGG verfehlen, ein Gutachten als Voraussetzung der Aufstellung eines Tarifs zu erlangen.
Das BayObLG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Urheber für die in Rede stehenden Vervielfältigungen bei der Nutzung von Cloud-Speichern zu den nach §§ 53, 60a bis 60f UrhG privilegierten Zwecken Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung i.S.v. §§ 54, 54a UrhG haben. Die Speicherung von Kopien urheberrechtlich geschützter Inhalte in einem Cloud-Speicher fällt unter den Begriff der Vervielfältigung nach § 16 UrhG. Auch der für die Auslegung der Privatkopieschranke in § 53 Abs. 1 und 2 UrhG maßgebliche Begriff der Vervielfältigung "auf beliebigen Trägern" gem. Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft umfasst die Erstellung von Sicherungskopien urheberrechtlich geschützter Werke zu privaten Zwecken auf einem Server, auf dem der Anbieter von Cloud-Computing-Dienstleistungen einem Nutzer Speicherplatz zur Verfügung stellt. Dasselbe gilt, wenn der Nutzer über ein verbundenes Endgerät auf die Cloud zugreift und ein zuvor dorthin hochgeladenes Werk auf sein Endgerät herunterlädt.
Das BayObLG hat frei von Rechtsfehlern angenommen, dass die Anbieter von Cloud-Diensten nicht als Hersteller, Importeure oder Händler von Geräten oder Speichermedien i.S.v. § 54 Abs. 1, § 54b Abs. 1 und 2 UrhG anzusehen sind, weshalb sie nach dem geltenden deutschen Recht nicht zum Kreis der Vergütungspflichtigen zählen. Der Begriff des Herstellers, Importeurs oder Händlers i.S.v. § 54 UrhG erfasst nicht den Cloud-Anbieter, auch wenn dieser die einzelnen Hard- und Softwarekomponenten der Cloud kombiniert, implementiert und konfiguriert und so das Produkt-/ Leistungspaket mit digital zugänglichem Online-Speicherplatz bereitstellt. Das Vergütungssystem der §§ 54 ff. UrhG erfasst lediglich die Veräußerung und das Inverkehrbringen der Geräte und Speichermedien, die bei der Erbringung oder der Inanspruchnahme der Leistungen des Cloud-Anbieters verwendet werden, im Geltungsbereich des deutschen Urheberrechtsgesetzes.
Rechtsfehlerfrei hat das BayObLG auch eine analoge Anwendung der Vergütungsvorschriften der §§ 54 ff. UrhG auf die Anbieter von Cloud-Diensten abgelehnt. Es fehlt insoweit an der für die analoge Gesetzesanwendung erforderlichen planwidrigen Regelungslücke. Das BayObLG hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die aus Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG folgende Ergebnispflicht keine andere Bewertung erfordert. Nach derzeitigem Sachstand ergibt sich aus den unionsrechtlichen Vorgaben nicht das Erfordernis, die in den §§ 54 ff. UrhG bestimmte Vergütungspflicht für Privatkopien auf Cloud-Anbieter zu erstrecken. Die hierfür geltenden Maßstäbe sind durch die Rechtsprechung des EuGH geklärt, sodass eine Vorlage gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht veranlasst ist.
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