BGH v. 31.7.2025 - I ZR 131/23
Zur urheberrechtlichen Zulässigkeit eines Werbeblockers
Es ist nicht auszuschließen, dass durch die Nutzung eines Werbeblockers das ausschließliche Recht zur Umarbeitung eines Computerprogramms gem. § 69c Nr. 2 Satz 1 UrhG des Betreibers eines Online-Portals verletzt werden kann. Es kann ein Eingriff in den Schutzbereich eines Computerprogramms nach § 69a Abs. 1 und 2 Satz 1 UrhG und damit eine Verletzung des Rechts zur Umarbeitung i.S.v. § 69c Nr. 2 Satz 1 UrhG und Vervielfältigung i.S.v. § 69c Nr. 1 Satz 1 UrhG in Betracht kommen.
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist ein Verlagshaus. Sie ist Pächterin mehrerer Online-Portale. Die Beklagte zu 1) vertreibt ein Plug-in für Webbrowser, das der Unterdrückung von Werbeanzeigen auf Webseiten dient. Die Beklagten zu 2) bis 4) waren Geschäftsführer der Beklagten zu 1).
Bei Aufruf der Webseiten der Online-Portale der Klägerin durch Eingabe der entsprechenden Internet-Adresse in einen Internet-Browser fordert der Browser vom Server der Klägerin die HTML-Datei an und speichert sie im Arbeitsspeicher auf dem Endgerät des Nutzers. Zur Anzeige des HTML-Dokuments interpretiert der Browser den Inhalt des HTML-Dokuments mittels einer Parsing-Engine. Das Ergebnis der Interpretation ist eine Objektstruktur, ein sog. DOM-Knotenbaum. Zur Formatierung der Webseite baut eine CSS-Engine sog. CSS-Strukturen ("CSSOM") auf. Die DOM- und CSS-Strukturen werden mittels einer Render-Engine in einer Rendering-Baumstruktur zusammengeführt. Der Werbeblocker der Beklagten nimmt Einfluss auf diese vom Browser erzeugten Datenstrukturen und sorgt dafür, dass als Werbung erkannte Elemente nicht auf dem Bildschirm des Nutzers erscheinen.
Die Klägerin ist der Auffassung, bei der Programmierung ihrer Webseiten handele es sich aufgrund der darin enthaltenen Steuerungselemente insgesamt um Computerprogramme i.S.d. § 69a Abs. 1 UrhG, an denen ihr die ausschließlichen Nutzungsrechte zustünden. Der DOM-Knotenbaum und die CSS-Strukturen mit den darin enthaltenen Handlungsanweisungen seien Ausdrucksformen dieser Programmierung und nähmen an deren urheberrechtlichem Schutz teil. Die bei der Verwendung des Werbeblockers erfolgenden Vervielfältigungen i.S.d. § 69c Nr. 1 Satz 1 UrhG seien unberechtigt. Der Werbeblocker führe außerdem zu unbefugten Umarbeitungen i.S.d. § 69c Nr. 2 Satz 1 UrhG. Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz in Anspruch.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Das OLG ließ die Revision nur insoweit zu, als die Klägerin ihre Ansprüche auf eine von ihr behauptete - der ersten unveränderten Vervielfältigung im Arbeitsspeicher nachfolgende - abändernde Vervielfältigung und Umarbeitung eines Computerprogramms gestützt hat. Die Klägerin verfolgte ihre Ansprüche allerdings in vollem Umfang weiter; ihre Revision hatte teilweise Erfolg. Der BGH hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück, soweit es die Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz wegen der behaupteten abändernden Vervielfältigung und Umarbeitung eines Computerprogramms i.S.d. § 69c Nr. 1 und 2 UrhG betrifft. Die weitergehende Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Annahme des OLG, durch eine Nutzung des Werbeblockers der Beklagten werde das ausschließliche Recht zur Umarbeitung eines Computerprogramms gem. § 69c Nr. 2 Satz 1 UrhG nicht verletzt, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen des OLG kann ein Eingriff in den Schutzbereich eines Computerprogramms nach § 69a Abs. 1 und 2 Satz 1 UrhG und damit eine Verletzung des Rechts zur Umarbeitung i.S.v. § 69c Nr. 2 Satz 1 UrhG und Vervielfältigung i.S.v. § 69c Nr. 1 Satz 1 UrhG nicht verneint werden.
Dem Berufungsurteil lässt sich nicht eindeutig entnehmen, von welchem Schutzgegenstand und von welchen für die Frage des Eingriffs maßgeblichen schutzbegründenden Merkmalen dieses Schutzgegenstands das OLG ausgegangen ist. Das Berufungsurteil lässt überdies nicht erkennen, dass das OLG den Vortrag der Klägerin zu den Besonderheiten eines Browsers hinreichend berücksichtigt hat, wonach virtuelle Maschinen wie ein Browser und die in ihm enthaltenen Engines nicht durch einen Objektcode gesteuert würden, sondern durch einen Bytecode, durch den die virtuellen Maschinen einen Objektcode erstellten. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Bytecode oder der von ihm geschaffene Code als Computerprogramm geschützt ist und der Werbeblocker im Wege der Umarbeitung oder abändernden Vervielfältigung in das daran bestehende ausschließliche Recht eingegriffen hat.
Mehr zum Thema:
Rechtsprechung (Vorinstanz)
OLG Hamburg: Adblocker und Urheberrecht
OLG Hamburg vom 24.08.2023 - 5 U 20/22
Oliver Kreutz, CR 2023, 677
CR0059793
Beratermodul IT-Recht
Otto Schmidt Answers optional dazu buchen und die KI 4 Wochen gratis nutzen! Die Answers-Lizenz gilt für alle Answers-fähigen Module, die Sie im Abo oder im Test nutzen. Hier das informative Rezensions- und Anwendungsvideo von RA Michael Rohrlich und Marc Oliver Thoma ansehen! Bearbeiten Sie zahlreiche bewährte Formulare mit LAWLIFT! 4 Wochen gratis nutzen!