BGH v. 24.6.2025 - VI ZB 91/23

Einfache Signatur: Namenswiedergabe muss entzifferbar sein und Verantwortlichen erkennen lassen

Bei einfacher Signatur gem. § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 ZPO muss die Namenswiedergabe so entzifferbar sein, dass sie von den Empfängern des Dokuments ohne Sonderwissen oder Beweisaufnahme einer bestimmten Person als Verantwortlicher zugeordnet werden kann (Anschluss an BGH v. 7.9.2022 - XII ZB 215/22).

Der Sachverhalt:
Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche wegen des Einsatzes von Videokameras zur Überwachung von Teilen des von ihnen beiden bewohnten Grundstücks geltend. Die Klage hatte erstinstanzlich Erfolg. 

Das Urteil wurde dem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 8.9.2023 zugestellt. Am 7.10.2023 reichte Rechtsanwalt W., der die Beklagte erstinstanzlich nicht vertreten hatte, bei dem Berufungsgericht - LG - auf dem sicheren Übermittlungsweg aus dem ihm zugeordneten besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) eine gegen das erstinstanzliche Urteil gerichtete Berufungsschrift ein. Die Berufungsschrift trägt auf ihrer ersten Seite im Briefkopf den Namen und die Adresse des Rechtsanwalts W., auf ihrer dritten Seite als Unterschrift einen Schriftzug ohne weitere Namensangaben.

Am 3.11.2023 übermittelte Rechtsanwalt W. über den sicheren Übermittlungsweg aus seinem beA zwei weitere Schriftsätze, die ähnliche Schriftzüge als alleinige Unterschrift tragen. Nachdem ihn das LG auf Zweifel an der formgerechten Einreichung der Berufungsschrift hingewiesen hatte, übermittelte Rechtsanwalt W. über sein beA einen Schriftsatz vom 14.11.2023, in dem er erklärte, er sei Einzelanwalt, habe keine Mitarbeiter, und er habe die eingereichte Berufung gefertigt, unterschrieben und per beA verschickt. 

Das LG verwarf die Berufung per Beschluss als unzulässig. Die Rechtsbeschwerde der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Vorbereitende Schriftsätze, zu denen auch die Berufungsschrift zählt (§ 519 Abs. 1, 4 ZPO), sind von Rechtsanwälten als elektronische Dokumente zu übermitteln, es sei denn, dies ist aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich (§ 130d Satz 1 und 2 ZPO). Gemäß § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden.

Eine einfache Signatur i.S.d. § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 ZPO muss dabei nicht zwingend eine eingescannte oder auf anderem Wege digitalisierte Fassung der Unterschrift des Rechtsanwalts darstellen. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Rechtsanwalt durch Wiedergabe seines Namens am Ende des Schriftsatzes deutlich macht, dass er selbst den Schriftsatz verantwortet. Der Name kann deshalb auch maschinenschriftlich am Ende des Textes abgedruckt sein. Entsprechend genügt aber eine Angabe des Namens des Rechtsanwalts allein im Briefkopf der Berufungsschrift nicht, weil sie keine Aussage darüber trifft, wer für den sodann folgenden Inhalt der Berufungsschrift die Verantwortung übernehmen will. Ebenso wenig genügt die Angabe "Rechtsanwältin" oder "Rechtsanwalt" ohne weitere Namensangabe am Ende eines Schriftsatzes, weil sich allein mit dieser Bezeichnung der Schriftsatz keiner bestimmten Person zuordnen lässt, die Verantwortung für seinen Inhalt übernimmt.

Für den Fall, dass der Rechtsanwalt auf eine maschinenschriftliche Wiedergabe seines Namens am Ende des Schriftsatzes verzichtet, muss die Namenswiedergabe zumindest so entzifferbar sein, dass sie von den Empfängern des Dokuments ohne Sonderwissen oder Beweisaufnahme einer bestimmten Person als Verantwortlicher zugeordnet werden kann. Anderenfalls bliebe den Empfängern eines solchen Dokuments nur zu raten, zu vermuten oder zu glauben, dass die von dem sicheren Übermittlungsweg ausgewiesene Person mit der Person identisch ist, welche die inhaltliche Verantwortung für das Dokument übernimmt. Fehlt es an einer entzifferbaren Signatur, kann dies entsprechend allenfalls dann ausnahmsweise unschädlich sein, wenn sich aus anderen, eine Beweisaufnahme nicht erfordernden Umständen eine der einfachen Signatur vergleichbare zweifelsfreie Gewähr dafür ergibt, dass der Rechtsanwalt, der den Schriftsatz übermittelt hat, die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernommen und ihn willentlich in den Rechtsverkehr gebracht hat.

Diesen rechtlichen Vorgaben wird die Berufungsschrift der Beklagten nicht gerecht, wie das LG auch gemessen am Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes zutreffend erkannt hat. Das Dokument ist nicht mit einer entzifferbaren einfachen Signatur versehen. Der Schriftzug unter der Berufungsschrift lässt Buchstaben, die dem Namen des Rechtsanwalts W. zugeordnet werden könnten, auch bei wohlwollender Betrachtung nicht erkennen. 

Mehr zum Thema:

Kommentierung | ZPO
§ 130a Elektronisches Dokument; Verordnungsermächtigung
Greger in Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Aufl. 2024
07/2024

Rechtsprechung
Signierung der Berufungsbegründung mit „Rechtsanwalt“ ohne Namenszusatz
BGH vom 11.03.2025 - VI ZB 5/24
MDR 2025, 745
MDR0079147

Rechtsprechung (siehe Leitsatz)
beA: „Rechtsanwalt“ ohne Namensangabe für einfache Signatur nicht ausreichend
BGH vom 07.09.2022 - XII ZB 215/22
Hans Christian Schwenker, MDR 2022, 1527
MDR0049256

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 10.07.2025 11:16
Quelle: BGH online

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