EuGH v. 8.5.2025 - C-697/23
Vergleich von Versicherungen auf Check24 mittels Tarifnoten keine vergleichende Werbung
Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung ist dahin auszulegen, dass ein Online-Vergleichsdienst für Waren oder Dienstleistungen, der von einem Unternehmen bereitgestellt wird, das kein "Mitbewerber" im Sinne dieser Bestimmung ist - also die von ihm verglichenen Waren oder Dienstleistungen nicht selbst anbietet und folglich auf einem Markt für unterschiedliche Waren oder Dienstleistungen tätig ist - nicht unter den Begriff "vergleichende Werbung" im Sinne dieser Bestimmung fällt. Das Gleiche gilt, wenn dieses Unternehmen als Vermittler auftritt und, ohne selbst auf dem Markt für diese Waren oder Dienstleistungen tätig zu sein, es Verbrauchern ermöglicht, Verträge mit Unternehmen abzuschließen, die die betreffenden Waren oder Dienstleistungen anbieten.
Der Sachverhalt:
Die klagende Versicherungsgruppe HUK-Coburg nimmt die beklagten Unternehmen des Online-Vergleichsportals Check24 auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch.
Check24 bietet seinen Nutzern die kostenlose Möglichkeit, verschiedene Produkte, u.a. auch Versicherungsangebote, zu vergleichen. Ein solcher Vergleich erfolgt anhand einer Reihe von Kriterien - u.a. dem Preis - mittels Tarifnoten für die verschiedenen Versicherungsangebote. Die Tarifnote weist einen Zahlenwert von 1,0 bis 4,0 aus und ist durch die jedem Versicherer jeweils zugewiesene Notenstufe "sehr gut", "gut", "befriedigend" oder "ausreichend" unterlegt. Die Internetseite bietet auch die Möglichkeit, ggf. Verträge mit den Anbietern dieser Produkte abzuschließen.
Nach Ansicht von HUK-Coburg stellen solche Tarifnoten eine unzulässige vergleichende Werbung dar, da sie als Werturteile anzusehen seien, die kein Gegenstand vergleichender Werbung sein dürften, weil diese Noten eine falsche Objektivität vorspiegelten und für den Verbraucher ein hohes Täuschungspotential haben könnten.
Das mit der Sache befasste LG München I hat das verfahren ausgesetzt und dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Das LG ersucht in diesem Zusammenhang um Auslegung der Richtlinie 2006/114 über irreführende und vergleichende Werbung. Es möchte wissen, ob die Bedingungen für zulässige vergleichende Werbung auch erfüllt sein können, wenn ein Vergleich mittels eines Benotungs- bzw. Bepunktungssystems vorgenommen wird.
Die Gründe:
Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2006/114/EG ist dahin auszulegen, dass ein Online-Vergleichsdienst für Waren oder Dienstleistungen, der von einem Unternehmen bereitgestellt wird, das kein "Mitbewerber" im Sinne dieser Bestimmung ist (d.h. die von ihm verglichenen Waren oder Dienstleistungen nicht selbst anbietet und folglich auf einem Markt für unterschiedliche Waren oder Dienstleistungen tätig ist) nicht unter den Begriff "vergleichende Werbung" im Sinne dieser Bestimmung fällt. Das Gleiche gilt, wenn dieses Unternehmen als Vermittler auftritt und, ohne selbst auf dem Markt für diese Waren oder Dienstleistungen tätig zu sein, es Verbrauchern ermöglicht, Verträge mit Unternehmen abzuschließen, die die betreffenden Waren oder Dienstleistungen anbieten.
Im Hinblick auf die Frage, ob ein von einem Unternehmen bereitgestellter Online-Vergleichsdienst für Versicherungsprodukte überhaupt als "vergleichende Werbung" im Sinne der Richtlinie angesehen werden kann, kommt es vorliegend entscheidend darauf an, ob eine Unternehmensgruppe, die Online-Vergleichsdienste für Versicherungsprodukte anbietet, im Sinne der Richtlinie als "Mitbewerber" einer Versicherungsgruppe eingestuft werden kann. Der Werbende, d.h. Check24, muss daher ein Mitbewerber von HUK-Coburg sein, damit die beanstandete Praxis als vergleichende Werbung im Sinne der Richtlinie angesehen wird und sie mithin in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen kann; dies zu prüfen, ist Sache des LG München I.
Im Streitfall wird sich die vom LG München I vorzunehmende Prüfung, ob zwischen Check24 und HUK-Coburg ein Wettbewerbsverhältnis besteht, auf eine Analyse dessen stützen müssen, ob die von ihnen jeweils angebotenen Dienstleistungen eventuell substituierbar sind, um zu entscheiden, ob die Unternehmen auf demselben Markt tätig sind. Insoweit geht aus der vorliegenden Akte hervor, dass HUK-Coburg ihren Kunden Versicherungsdienstleistungen in verschiedenen Bereichen erbringt, während Check24 nicht selbst solche Dienstleistungen anbietet, sondern sich darauf beschränkt, im Internet mittels eines Benotungs- bzw. Bepunktungssystems verschiedene Versicherungsdienstleistungen, die von Versicherungsunternehmen angeboten werden, zu vergleichen und ggf. als Vermittler die Möglichkeit zum Abschluss von Verträgen mit den Versicherungsunternehmen, die die verglichenen Dienstleistungen erbringen, zu eröffnen.
Da aus dieser Akte hervorgeht, dass Check24 ein Online-Vergleichsportal für Versicherungsdienstleistungen betreibt und selbst kein Versicherungsunternehmen ist, kann dieses Unternehmen solche Dienstleistungen auch dann weder erbringen noch über sie verfügen, wenn es als bloßer Vermittler den Abschluss von Verträgen zwischen Kunden und Anbietern von Versicherungsprodukten ermöglicht. Vorbehaltlich einer näheren Prüfung durch das LG ist daher davon auszugehen, dass eine Versicherungsgruppe wie HUK-Coburg und eine Unternehmensgruppe wie Check24, die Online-Vergleichsdienstleistungen für Versicherungsprodukte bereitstellt, Dienstleistungen anbieten, die nicht substituierbar sind und sie demnach auf unterschiedlichen Dienstleistungsmärkten tätig sind. Daraus folgt, dass von einem Unternehmen erbrachte Online-Vergleichsdienste für Versicherungsprodukte, die weder einen Mitbewerber dieses Unternehmens noch die von einem solchen Mitbewerber angebotenen Waren oder Dienstleistungen erkennbar machen, nicht unter den Begriff "vergleichende Werbung" im Sinne der Richtlinie fallen.
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Christian Armbrüster, VersR 2024, 1262
VERSR0069674
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