LG Magdeburg v. 27.3.2025 - 10 O 67/24
Übermittlung von Positivdaten an Auskunfteien kann bei Betrugsverdacht rechtmäßig sein
Das beklagte Telekommunikationsunternehmen hat nachvollziehbar dargelegt, dass in den Fällen, in denen potentielle Kunden in kurzer Zeit unerklärlich viele Mobilfunkverträge abschließen, auf die Absicht des Kunden geschlossen werden kann, an die teure Hardware zu gelangen, und dass die Auskunfteien dazu nähere Bewertungsmethoden entwickelt haben. Dieses Interesse übersteigt das Interesse der Kunden, dass die Tatsache eines Vertragsschlusses über Mobilfunkverträge nicht weitergegeben werden soll.
Der Sachverhalt:
Die Beklagte erbringt Telekommunikationsdienstleistungen. Der Kläger hatte bei ihr einen Mobilfunkvertrag abgeschlossen. Am 13.9.2023 hat die Beklagte dem Kläger eine Auskunft nach DSGVO erteilt. Darin hieß es:
„Am 8.1.2019 hat die V. GmbH Abteilung V. den Abschluss eines Telekommunikationsvertrages gemeldet und hierzu das Servicekonto unter der Nummer ... übermittelt. Diese Information wird gespeichert, solange die Geschäftsbeziehung besteht“.
„Am 14.07.2018 hat die V. GmbH den Abschluss eines Telekommunikationsvertrages gemeldet und hierzu das Servicekonto unter der Nummer ... übermittelt. Diese Information wird gespeichert, solange die Geschäftsbeziehung besteht“.
Der Basisscore des Klägers betrug 98,40 % von 100 % und hatte die Bestbewertung "hervorragend" (ab 97,2 %). Die Beklagte teilte in einer Pressemitteilung am 19.10.2023 mit, dass sie sich entschieden habe, die Telekommunikationsdaten aus den Konten zu löschen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.9.2023 forderte der Kläger die Beklagte erfolglos zum Ersatz des entstandenen Schadens und zur Unterlassung auf. Er behauptete, es habe sich bei ihm ein Gefühl des Kontrollverlustes eingestellt und der großen Sorge auf die eigenen der Bonität. Er lebe in ständiger Angst vor unangenehmen Rückfragen in Bezug auf die eigene Bonität.
Das LG hat die auf Unterlassung und Schadensersatz für einen immateriellen Schaden von mind. 5.000 € gerichtete Klage abgewiesen.
Die Gründe:
Zwar werden die sog. "Massenklageverfahren - Meldung von Positivdaten von Telekommunikationsverträgen an die S." in der Rechtsprechung unterschiedlich bewertet. Die Kammer folgt allerdings der Rechtsprechung, die einen Anspruch verneint. Insofern hat der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung eines immateriellen Schadensersatzes und Unterlassung aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO, da das beanstandete Verhalten der Beklagten rechtmäßig war.
Rechtfertigungsgrund ist Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f) DSGVO. Berechtigtes Interesse ist die Aufrechterhaltung eines zuverlässigen Scoring-Systems (OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.10.2024, I-20 U 51/24). Daher war es unerheblich, ob der Antrag auf Unterlassung hinreichend bestimmt war oder nicht (dafür etwa OLG Koblenz Beschl. v. 5.2.2025, 5 U 1033/24). Das Interesse der Beklagten an einer hinreichenden Betrugsbekämpfung rechtfertigte die Übermittlung der Positivdaten. Dieser Gesichtspunkt wird im Erwägungsgrund 47 zu Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f) DSGVO ausdrücklich angesprochen und taucht in der Stellungnahme der Datenschutzkonferenz des Bundes und der Bundesländer von 22.9.2021 nicht auf und unterscheidet diesen Fall von entsprechenden Meldungen von Energieversorgern, wo dieser Fall so nicht auftreten kann und allein das Heraussuchen von „Vertragshoppern“ das Ziel sein kann.
Die Beklagte hat nachvollziehbar dargelegt, dass in den Fällen, in denen potentielle Kunden in kurzer Zeit unerklärlich viele Mobilfunkverträge abschließen, auf die Absicht des Kunden geschlossen werden kann, an die teure Hardware zu gelangen, und dass die Auskunfteien dazu nähere Bewertungsmethoden entwickelt haben. Dieses Interesse übersteigt das Interesse der Kunden, dass die Tatsache eines Vertragsschlusses über Mobilfunkverträge nicht weitergegeben werden soll. Das Interesse der Kunden an einer Geheimhaltung überwiegt nicht. Die Übermittlung der genannten Positivdaten von Mobilfunkverträgen an Auskunfteien hat lediglich geringfügige Auswirkungen.
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