FG Münster v. 7.12.2022, 9 K 1957/22 E,G

Technische Nutzungsprobleme des beA müssen unverzüglich glaubhaft gemacht werden

In Fällen, in denen ein Rechtsanwalt geltend macht, eine Klage (vorübergehend) nicht in der vorgeschriebenen elektronischen Form erheben zu können, muss er die technische Unmöglichkeit dem Gericht gegenüber unverzüglich glaubhaft machen.

Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte am 14.8.2022 (00:17 Uhr) durch seinen Rechtsanwalt per Telefax Klage gegen die Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015 sowie die Gewerbesteuermessbescheide 2014 und 2015 in Gestalt einer Einspruchsentscheidung vom 13.7.2022 erhoben. Die Klage ging zusätzlich/nochmal am Folgetag per Post beim FG ein. Beide Klagen waren eigenhändig unterschrieben. Nachdem der Berichterstatter den Rechtsanwalt auf die Pflicht zur elektronischen Übermittlung nach § 52d FGO hingewiesen hatte und hierauf keine weitere Stellungnahme erfolgt war, erließ er einen Gerichtsbescheid, mit dem er die Klage als unzulässig abgewiesen hat.

Hiergegen wandte der Klägervertreter Anfang September 2022 telefonisch und mit per Briefpost übermitteltem Schreiben ein, dass er im Zeitraum von Juni bis Ende August 2022 technische Probleme bei der Einrichtung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) gehabt habe. Der Fehler habe bei Komplikationen im Zuge des Umtausches der Karten und des PIN-Codes der neuen Karte gelegen. Hierzu fügte er Screenshots aus dem beA-Postfach bei, wonach es am 30.8.2022 und am 1.9.2022 zu fehlerhaften Übermittlungen an das FG gekommen war. Ferner reichte er eine schriftliche Bestätigung seines Mitarbeiters ein, wonach im Zeitraum Juni bis Ende August eine Übermittlung mit dem beA in der Kanzlei nicht möglich gewesen sei und diese Probleme auch von IT-Fachleuten nicht hätten behoben werden können.

Im Dezember 2022 übermittelte der Rechtsanwalt die Klageschrift per beA und beantragte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das FG hat den gegen den Gerichtsbescheid gerichteten Brief als Antrag auf mündliche Verhandlung ausgelegt und die Klage als unzulässig abgewiesen.

Die Gründe:
Der Kläger hat die am 14.8.2022 per Telefax sowie am 15.8.2022 per Post übermittelte Klage nicht in der Form des § 52a FGO erhoben, so dass der Antrag als nicht vorgenommen gilt.

Da Rechtsanwälte seit dem 1.1.2022 verpflichtet sind, im finanzgerichtlichen Verfahren ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach zu nutzen, war die im Streitfall erfolgte Klageerhebung per Telefax und Brief unzulässig. Etwaige Ausnahmegründe i.S.v. § 52d Satz 3 FGO hatte der Klägervertreter nicht unverzüglich glaubhaft gemacht, denn er hat die technischen Probleme dem Gericht erst mehr als zwei Wochen nach Klageerhebung mitgeteilt.

Die im September bzw. Dezember 2022 eingegangenen Schreiben waren nicht als zulässige Klagen anzusehen, da sie verspätet eingereicht worden waren. Dem Kläger war insoweit auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da die Fristversäumnis schuldhaft war. Das Verschulden des Klägervertreters, das dem Kläger zuzurechnen war, lag darin, dass er die technischen Probleme nicht zusammen mit oder jedenfalls unverzüglich nach der ursprünglichen Klageerhebung am 14./15.8.2022 dargelegt und glaubhaft gemacht hatte. In diesem Fall wäre die Klagefrist auch ohne Übermittlung als elektronisches Dokument gewahrt worden. Hinzu kam, dass das Gericht den Prozessvertreter unmittelbar nach Klageerhebung auf die Formvorschrift des §§ 52d FGO hingewiesen hatte.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 19.01.2023 15:16
Quelle: FG Münster online

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