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DALL·E 2 – Ist das Urheberrecht noch zeitgemäß? (Papastefanou, CR 2023, 1)

Die OpenAI-Plattform DALL·E 2 ermöglicht es, nach wenigen Textvorgaben seitens eines Nutzers, eine komplexe Bilddatei erstellen zu lassen. Es stellt sich daher in praktisch relevanter Weise die sonst abstrakt diskutierte die Frage, ob hier Urheberrechte entstehen und wem diese Urheberrechte ggf. zustehen (I.). Der Beitrag geht zunächst auf die technische Funktionsweise von DALL·E 2 ein, um die wesentlichen, urheberrechtlich relevanten Elemente zu identifizieren (II.). 

Anschließend wird analysiert, ob nach aktuellem Urheberrecht in den erzeugten Bildern ein Werk nach § 2 Abs. 2 UrhG im Sinne einer persönlichen geistigen Schöpfung vorliegt und welchem der beteiligten Akteure ggf. Rechte hieran zustehen können (III.). Abschließend wird diskutiert, ob die aktuelle Entwicklung – am Beispiel von DALL·E 2 – ein Umdenken im Rahmen des Urheberrechts erfordert (IV.). Dies erfolgt aus zwei Perspektiven: (1) Besteht ein Bedarf oder eine Notwendigkeit für die Erweiterung des Urheberrechtsschutzes hinsichtlich der genannten Erzeugnisse im Kontext von DALL·E 2? (2) Führen diese Erzeugnisse ggf. zu neuen Herausforderungen für den Schutz klassischer Werke, denen das bestehende Urheberrecht nicht begegnen kann?


Rechtliche Herausforderungen für das Urheberrecht anhand der aktuellen Entwicklung des text-to-image Modells „DALL·E 2“

INHALTSVERZEICHNIS:

I. DALL·E 2 als „KI-Durchbruch“ im Digital Arts Market

II. Technische Funktionsweise der DALL·E 2-Algorithmen

1. Phase I: CLIP-Algorithmen

2. Phase II: Prior

3. Phase III: Decoder

4. Zwischenergebnis

III. Rechtliche Analyse der durch DALL·E 2 hervorgebrachten Erzeugnisse

1. Rechtliche Anforderungen an ein urheberrechtlich geschütztes Werk

2. Persönliche geistige Schöpfung des DALL·E 2-Nutzers

a) CLIP-Algorithmen

b) Prior

c) Decoder

d) Auswahlentscheidungen des DALL·E 2 Nutzers

3. Bestimmung der Trainingsdaten als Werk?

4. Persönliche geistige Schöpfung durch OpenAI-Programmierer

5. Zwischenergebnis

IV. Neue Herausforderungen für das gegenwärtige Urheberrecht

1. Erweiterung des Schutzbereichs für Erzeugnisse durch DALL·E 2

a) Anreizwirkung für OpenAI

b) Nutzer von DALL·E 2

c) Verkehrsschutz

2. Anpassung der urheberrechtlichen Umgebung zur Aufrechterhaltung des bestehenden Schutzniveaus

a) Beweisschwierigkeiten

b) Verkaufsmodalitäten von Shutterstock, Inc.

c) Schutz von Stilrichtungen konkreter Künstler

V. Zusammenfassung


 


Leseprobe:
 

"I. DALL·E 2 als „KI-Durchbruch“ im Digital Arts Market
1

DALL·E 1 ist ein von OpenAI entwickeltes Programm, das unter Zusammenarbeit von mehreren neuronalen Netzwerken realistische Bilder aus einfachen Textbeschreibungen erstellen kann. Die erste Version von DALL·E wurde Anfang 2021 bekannt gemacht. 2 Im April 2022 stellte OpenAI sodann die überarbeitete Version DALL·E 2 der Öffentlichkeit vor. Im Juli wurden dann ausgewählte Nutzer für die Verwendung freigeschaltet, bevor Ende September die Betaversion von DALL·E 2 für alle veröffentlicht wurde.

2

DALL·E basiert auf dem ebenfalls von OpenAI entwickelten Sprachmodell GPT-3, welches es durch ein Training mit Pixelsequenzen ermöglichte, „halbfertige“ Bilder sinnvoll zu vervollständigen. 3 Im Vergleich zu den 12 Milliarden Parametern der ursprünglichen Version von DALL·E arbeitet DALL·E 2 mit einem Modell mit 3,5 Milliarden Parametern und einem weiteren Modell mit 1,5 Milliarden Parametern, um die Auflösung der Bilder zu verbessern. 4

3

Die Basis für das Training des Algorithmus ist ein Datensatz von 250 Millionen Bild-Text-Paaren, zu denen u.a. die umfangreiche Bild-Datenbank von Shutterstock, Inc. gehörte, wie kürzlich bekannt wurde. 5 Das zugrunde liegende Sprachmodell GPT-3 wurde darüber hinaus mit 45 Terabyte an Textdateien aus dem öffentlichen Internet, u.a. Common Crawl und Wikipedia, trainiert. 6

4

Die Bilddateien, die mit DALL·E 2 erstellt werden können, sind von solcher Komplexität, dass sie in vielen Fällen nicht mehr von klassischen, menschlichen Werken auf dem Digital Arts Market zu unterscheiden sind. Auch lassen sich durch die Vielfalt an Texteingaben unzählige Motive auswählen und sogar Stilrichtungen von bekannten Künstlern bestimmen, nach denen die Bilddatei erstellt wird. DALL·E 2 ermöglicht damit eine noch nie vorhandene Möglichkeit, für jegliche Nutzer innerhalb von kürzester Zeit und mit geringem Aufwand, komplexe und vermeintlich kreative Bilddateien zu erstellen. Darüber hinaus ist es möglich, mit DALL·E 2 Bilder zu bearbeiten und ihnen neue Elemente hinzuzufügen („inpainting 7 ) oder vom Original inspirierte Variationen eines bestehenden Bilds zu erzeugen. Wie mit den Erzeugnissen aus diesem Prozess rechtlich umzugehen ist und welche praktischen Auswirkungen diese Technologie auf den Rest des Digital Art Markets hat, setzt zunächst voraus, die technischen Grundlagen der DALL·E 2-Technologie zu verstehen. 8

 

II. Technische Funktionsweise der DALL·E 2-Algorithmen
5

Mit DALL·E 2 ist es möglich, Bilder auf Grundlage einer Textbeschreibung in natürlicher Sprache zu erzeugen. DALL·E 2 arbeitet in …"

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 13.01.2023 13:37

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