LG Köln v. 5.9.2022 - 14 S 9/21

Wann sind die Voraussetzungen der öffentlichen Wiedergabe erfüllt?

Überträgt der Betreiber eines Gewerbebetriebes zur Vermietung von möblierten Wohnungen zur zeitlich auf wenige Monate befristeten Inanspruchnahme unbestimmter Personen zuvor von ihm empfangene Hör- und Fernsehfunksignale i.S.v. § 20b Abs. 1 UrhG zeitgleich, unverändert und vollständig durch technische Mittel wie Kabel an die angeschlossenen Empfangsgeräte in 66 Wohneinheiten weiter, sind die Voraussetzungen der öffentlichen Wiedergabe erfüllt.

Der Sachverhalt:
Die Beklagte hat zum streitgegenständlichen Zeitraum 1.4. bis 31.7.2019 gewerblich Wohnraum an wechselnde Bewohner überlassen. Die Gäste bzw. Mieter konnten in 66 von der Beklagten bereit gestellten Wohneinheiten leben bzw. übernachten. Die Räumlichkeiten waren vollständig ausgestattet mit Küche, Ess- und Wohnbereich sowie Badezimmer. Es handelte sich um Ein-bzw. Zweizimmerwohnungen bzw. Wohneinheiten mit bis zu 45 qm Fläche. In den Wohneinheiten befand sich jeweils ein Fernseher. Die Beklagte stellte darüber hinaus auch ein Antennenkabel zur Verfügung. Das Gebäude verfügte über eine zentrale Verteileranlage, mit der das Signal an die einzelnen Wohneinheiten weitergeleitet wurde.

Die Klägerin hat von der Beklagten Schadensersatz im Wege der Lizenzanalogie verlangt. Das AG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Mit der Berufung begehrte die Beklagte die Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils und trug vor, dass das AG unzutreffender Weise von einer öffentlichen Wiedergabe ausgegangen sei. Es habe außerdem Sachvortrag und Beweisangebote rechtsfehlerhaft unberücksichtigt gelassen, nämlich zu dem Umstand, dass die Mieter der Beklagten mehrere Monate bis einige Jahre bei der Beklagten wohnten und dort ihren allgemeinen Lebensmittelpunkt begründeten. Der Betrieb der Beklagten sei deshalb nicht mit einem Hotel vergleichbar.

Das LG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Schadensersatzanspruch gem. § 97 Abs. 2 UrhG, da die Beklagte urheberrechtlich geschützte Inhalte, insbesondere Rundfunksendungen, widerrechtlich im Wege der Kabelweitersendung gem. §§ 15 Abs. 2 S. 1 und 2 Nr. 3, 20, 20b Abs. 1 S. 1 UrhG öffentlich wiedergegeben hat, hinsichtlich derer die Urheberrechte von der Klägerin wahrgenommen werden.

Überträgt – wie im hiesigen Fall – der Betreiber eines Gewerbebetriebes zur Vermietung von möblierten Wohnungen zur zeitlich auf wenige Monate befristeten Inanspruchnahme unbestimmter Personen zuvor von ihm empfangene Hör- und Fernsehfunksignale i.S.v. § 20b Abs. 1 UrhG zeitgleich, unverändert und vollständig durch technische Mittel wie Kabel an die angeschlossenen Empfangsgeräte in 66 Wohneinheiten weiter, sind die Voraussetzungen der öffentlichen Wiedergabe erfüllt. Eine „Wiedergabe“ setzt voraus, dass der Nutzer in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens – also absichtlich und gezielt – tätig wird, um Dritten einen Zugang zum geschützten Werk zu verschaffen, den diese ohne sein Tätigwerden nicht hätten. Dabei reicht es aus, wenn Dritte einen Zugang zum geschützten Werk haben, ohne dass es darauf ankommt, ob sie diesen nutzen.

Die Wiedergabe war auch öffentlich. Zu Recht hat das AG den Fokus darauf gelegt, dass die Beklagte eine kostenpflichtige Dienstleistung erbringt und der Zugang zu ihrem Geschäftsgebäude im Rahmen der Kapazität jedermann freisteht. Es hat auch zutreffend angenommen, dass der hiesige Fall nicht mit der beim BGH-Urteil „Ramses“ (BGH, Urt. v. 17.9.2015 – I ZR 228/14) gegenständlichen Wohnungseigentümergemeinschaft vergleichbar ist. Auch war es nicht zu beanstanden, dass das AG der konkreten Mietdauer der Kunden der Beklagten keine entscheidende Bedeutung zugemessen hatte.

Bei den Kunden der Beklagten handelte es sich letztlich auch um eine unbestimmte Zahl potenzieller Adressaten. Es handelte sich hingegen nicht um besondere Personen, die einer privaten Gruppe angehörten. Dabei war der hiesige Fall schon deshalb nicht mit der Fallgestaltung beim Fall „Ramses“ vergleichbar, weil die Bewohner keine Wohnungseigentümer waren und dementsprechend keine vergleichbare Zugangsbarriere für „Personen allgemein“ bestand. Hinzu kam, dass die vom BGH beim Fall „Ramses“ vorgenommene wertende Betrachtung hier nicht anwendbar war. Denn es lag fern, dass die Beklagte es geduldet hätte, dass jeder Kurzzeitmieter etwa eigene Satellitenanlagen installierte. So lag hier auch im Ergebnis nicht nur die Vermeidung einer solchen unsinnigen Installation einer Vielzahl von Einzelanlagen der einzelnen Wohnungseigentümer vor, sondern eine zentrale Dienstleistung der Beklagten an ihre Gäste.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 24.10.2022 14:45
Quelle: Justiz NRW

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