BGH v. 14.7.2022 - I ZR 121/21

Google-Drittauskunft: AdWords und Markenrecht

Der Umfang der Auskunftspflichten von Verletzern von Kennzeichenrechten und bestimmten Dritten über die Herkunft und den Vertriebsweg von widerrechtlich gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen gem. § 19 Abs. 1 MarkenG beschränkt sich auf die in § 19 Abs. 3 MarkenG ausdrücklich genannten Angaben. Davon wird die Angabe zum Zeitpunkt der Veröffentlichung einer Werbeanzeige im Internet nicht erfasst. Die Regelung des § 19 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG bezieht die Auskunftspflicht nicht auf Werbemittel und damit nicht auf die Anzahl der Klicks auf eine rechtsverletzende Internetanzeige, mit denen die Internetseite des Bestellers der Anzeige aufgerufen wurde.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Inhaberin der deutschen Wortmarke Nr. 2045559 "ALBA" mit Priorität vom 26.5.1993, die u.a. Schutz für die Dienstleistungen "Entsorgung und Verwertung von Abfall durch Recycling" beansprucht. Das Zeichen "ALBA" wird von der Klägerin seit vielen Jahren für diesen Geschäftsbereich auch als Unternehmenskennzeichen genutzt. Die in Irland ansässige Beklagte betreibt die Internet-Suchmaschine Google und bietet in Deutschland verschiedene entgeltliche Werbeprogramme an. Dazu zählt insbesondere das sog. Ads-Programm, das vormals unter dem Namen AdWords bekannt war (im Folgenden: AdWords). AdWords ist ein Programm, mit dem Werbetreibende ihre Werbung auf Internetseiten schalten können, die Teil des Google-Werbenetzwerks sind. Insbesondere können sie Anzeigen im Zusammenhang mit Suchfunktionen über die Suchmaschine unter www.google.de schalten.

Die Werbetreibenden können über ihr Konto bei AdWords Anzeigenkampagnen erstellen und verwalten. AdWords enthält hierfür eine strukturierte und nach Themenbereichen geordnete Hilfestellung. Die Entscheidungen hinsichtlich des Inhalts der Anzeigen, der Art und des Umfangs der Anzeigen und der jeweiligen Anzeigenkampagnen sowie der Werbestrategie werden von den Werbetreibenden getroffen. Diese bestimmen insbesondere den Text der jeweiligen Anzeige sowie die Internetseite, mit der die Anzeige verlinkt wird (sog. Zielseite oder "Landing Page"). Gibt ein Internetnutzer unter www.google.de Suchbegriffe ein, identifiziert AdWords automatisch potentiell relevante Anzeigen. Maßgeblich sind hierfür die vom Werbetreibenden ausgewählten Begriffe (sog. Keywords), bei deren Eingabe die Werbung angezeigt werden soll.

Am 29.11.2017 entdeckte die Klägerin, dass auf der Internetseite www.google.de bei Eingabe der Suchwörter "Alba Recycling" oberhalb der Ergebnisse folgende AdWords-Anzeige erschien: "Alba Recycling Abholung - Wir entsorgen billig für Sie. Sperrmüllabholung, Entrümpelung, Wohnungsauflösung […]" Diese Anzeige war mit einer Internetseite verlinkt, auf der Entsorgungsdienstleistungen angeboten wurden. Die Recherche der Klägerin nach der für diese Internetseite verantwortlichen Person blieb erfolglos. Nachdem die Klägerin bei der Beklagten eine sog. Markenbeschwerde erhoben hatte, löschte die Beklagte die Anzeige.

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Auskunftsansprüche zur Vorbereitung von Schadensersatzansprüchen gegen den Besteller der Anzeige geltend. Mit ihrer Klage begehrt sie die Erteilung einer Auskunft über den Zeitpunkt, ab dem die Anzeige auf der Internetseite www.google.de sichtbar war (Klageantrag a), über die Anzahl der Klicks, mit denen die über die Anzeige zugängliche Internetseite aufgerufen wurde (Klageantrag b) und über die Preise, die der Besteller für diese Anzeige an die Beklagte gezahlt hat (Klageantrag c). Die von ihr außerdem begehrte Auskunft über den Namen und die Anschrift des Bestellers der Anzeige hat die Beklagte erstinstanzlich erteilt. Insoweit haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Das LG gab der Klage im noch verbliebenen Umfang statt. Das KG wies die Klageanträge b und c ab; die Berufung der Beklagten hinsichtlich ihrer Verurteilung nach dem Klageantrag a wies es zurück. Auf die Revision der Beklagten wies der BGH die Klage vollumfänglich ab.

Die Gründe:
Die Revision der Beklagten wendet sich mit Erfolg gegen die Beurteilung des KG, die von der Beklagten grundsätzlich geschuldete Auskunft schließe die Angabe ein, zu welchem Zeitpunkt die streitgegenständliche AdWords-Anzeige geschaltet war. Die Revision der Klägerin wendet sich dagegen ohne Erfolg gegen die Abweisung ihres Antrags auf Auskunft über die Anzahl der Klicks, mit denen über die streitgegenständliche Anzeige die Internetseite des Bestellers der Anzeige aufgerufen wurde, und auf Auskunft über den Preis, den der Besteller an die Beklagte für die Veröffentlichung der Anzeige bezahlt hat.

Entgegen der Ansicht des KG steht der Klägerin kein Anspruch gegen die Beklagte auf Erteilung der begehrten Auskunft über den Zeitpunkt zu, ab dem die streitgegenständliche Anzeige auf der Internetseite www.google.de sichtbar war. Der Umfang der Auskunftspflichten von Verletzern von Kennzeichenrechten und bestimmten Dritten über die Herkunft und den Vertriebsweg von widerrechtlich gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen gem. § 19 Abs. 1 MarkenG beschränkt sich auf die in § 19 Abs. 3 MarkenG ausdrücklich genannten Angaben. Davon wird die Angabe zum Zeitpunkt der Veröffentlichung einer Werbeanzeige im Internet nicht erfasst.

Das KG hat dagegen mit Recht den Klageantrag abgewiesen, mit dem die Klägerin Auskunft über die Anzahl der Klicks begehrt hat, mit denen die über die Anzeige zugängliche Internetseite des Bestellers aufgerufen wurde. Denn die Regelung des § 19 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG bezieht die Auskunftspflicht nicht auf Werbemittel und damit nicht auf die Anzahl der Klicks auf eine rechtsverletzende Internetanzeige, mit denen die Internetseite des Bestellers der Anzeige aufgerufen wurde. § 19 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG kann auch nicht analog auf rechtsverletzende Werbemittel angewendet werden.

Schließlich hat das KG mit Recht auch den Klageantrag abgewiesen, mit dem die Klägerin Auskunft über den Preis begehrt, den der Besteller an die Beklagte für die Schaltung der streitgegenständlichen AdWords-Anzeige gezahlt hat. Der Auskunftsanspruch gem. § 19 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG bezieht sich auf die Preise für rechtsverletzende Dienstleistungen, nicht jedoch auf die Preise für Dienstleistungen gem. § 19 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG, die für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzt worden sind. Es besteht daher kein Anspruch auf Auskunft über den Preis, den der Besteller für eine rechtsverletzende Internetanzeige bezahlt hat.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung:
Schadensersatz wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnung aufgrund AdWords-Anzeige
OLG Frankfurt vom 10.02.2022 - 6 U 126/21

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 17.10.2022 11:15
Quelle: BGH online

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