LG Saarbrücken v. 10.6.2022, 1 O 394/21

Telefonische Weitergabe einer TAN - Wann liegt grobe Fahrlässigkeit vor?

Im Rahmen des Online-Bankings kann auch die telefonische Weitergabe lediglich einer TAN den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit des Zahlungsdienstenutzers begründen, wenn sich diesem nach den Gesamtumständen des Falles geradezu aufdrängen musste, dass die Aufforderung zur Weitergabe der TAN nicht von dem Zahlungsdiensteleister stammen konnte.

Der Sachverhalt:
Der Kläger war bis Mai 2011 Mitarbeiter der Beklagten. Zwischen den Parteien besteht ein Vertrag über die Führung eines Kontokorrentkontos mit der Möglichkeit der Nutzung von Online Banking. Dabei nutzt der Kläger seit annähernd 30 Jahren Online-Banking-Produkte der Beklagten, zuletzt auf Grundlage einer Vereinbarung vom 27.8.2020 das ChipTAN-Verfahren und PushTAN-Verfahren. Unter Ziffer 7 der weiterhin zwischen den Parteien bestehenden Rahmenvereinbarung sind gewisse Sorgfaltspflichten des Teilnehmers (hier des Klägers) vereinbart, u.a. dass die Nachweise des Besitzelements (z.B.) TAN nicht außerhalb des Online-Banking mündlich (z. B. per Telefon) [...] weitergegeben werden dürfen.

Am 23.6.2021 wollte der Kläger seinen Online-Zugang nutzen. Hierzu öffnete sich auf dem Computer des Klägers ein Fenster mit der Mitteilung, dass er sich bezüglich eines „S-Cert-Banking“ Verfahrens legitimieren müsse. Dieses Fenster beinhaltete einen Link, der auf ein Formular zur Eingabe einer Adresse und Mobilfunknummer verwies. In dieses Formular gab der Kläger seinen Namen, Adresse und Telefonnummer ein. Ein Anruf eines Mitarbeiters der Beklagten wurde avisiert. In der Folge meldete sich ein vorgeblicher Mitarbeiter der Beklagten und teilte mit, er wolle bei der Legitimierung behilflich sein. Diese setze die Generierung einer TAN voraus. Eine TAN wurde seitens des Klägers über das PushTAN-Verfahren erstellt und an den Anrufer weitergegeben.

Am 24.6.2021 stellte der Kläger fest, dass eine Überweisung über 7.677 € von seinem Konto vorgenommen war zugunsten einer Frau X., die der Kläger allerdings nicht kannte. Ein gegen diese eingeleitetes Strafverfahren wurde gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. In der Folge erklärte der Kläger die Anfechtung einer etwaigen Autorisierung des Zahlungsvorgangs. Er behauptete, das Fenster sei unmittelbar nach seiner Legitimierung bei der Nutzung des Online-Zugangs erschienen. Bereits zuvor habe sich die Beklagte über verschiedene Kommunikationswege mit dem Kläger in Verbindung gesetzt, sodass die Kontaktaufnahme nicht ungewöhnlich erschien. Der Anrufer sei ein Mitarbeiter der Beklagten, was sich daraus ergebe, dass er verschiedene Details bezüglich der Geschäftsverbindung der Parteien kannte.

Der Kläger nahm die Beklagte auf Gutschrift i.H.v. 7.677 € aufgrund der nicht autorisierten Überweisung in Anspruch. Das LG hat die Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Dem Kläger stand zwar zunächst ein Anspruch auf Gutschrift von 7.677 € auf seinem Girokonto nach § 675u BGB wegen eines nicht autorisierten Zahlungsvorganges zu. Dieser Anspruch ist jedoch infolge der hilfsweise durch die Beklagte erklärte Aufrechnung mit einem korrespondierenden Schadensersatzanspruch gleicher Höhe aus § 675v Abs. 3 BGB erloschen, während die wiederum seitens des Klägers erklärte Aufrechnung ohne Erfolg blieb.

Nach § 675v Abs. 3 Nr. 2 ist der Zahler seinem Zahlungsdienstleister zum Ersatz des gesamten Schadens verpflichtet, der infolge eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs entstanden ist, wenn der Zahler den Schaden herbeigeführt hat durch vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung einer oder mehrerer Pflichten gem. § 675l Abs. 1 oder einer oder mehrerer vereinbarter Bedingungen für die Ausgabe und Nutzung des Zahlungsinstruments. Bezogen auf die Besonderheiten des Online-Banking liegt bei der telefonischen Weitergabe einer oder mehrerer TAN der Vorwurf einer groben Fahrlässigkeit nahe. Insoweit ist die telefonische Weitergabe einer TAN nicht vergleichbar mit der Eingabe einer oder mehrerer TAN in eine gefälschte Eingabemaske, da sich die telefonische Weitergabe der TAN von dem üblichen Übermittlungsweg der TAN (Eingabe online) unterscheidet.

Bei Anwendung dieser rechtlichen Maßstäbe stellt sich das Verhalten des Klägers als grob fahrlässige Verletzung seiner Pflichten aus Ziffer 7 der zwischen den Parteien bestehenden Rahmenvereinbarung dar. Ausgangspunkt für diese Wertung ist zunächst die zwischen den Parteien getroffene Rahmenvereinbarung, welche ausdrücklich darauf hinweist, dass TAN nicht außerhalb des Online-Banking mündlich (z.B. per Telefon) weitergegeben werden dürfen. Zwar hat der Kläger vorgetragen, dass in der Vergangenheit es auch zu telefonischen Kontakten mit Mitarbeitern der Beklagten gekommen sei, weshalb die telefonische Kontaktaufnahme nicht ungewöhnlich gewesen sei. Jedoch hat auch der Kläger nicht behauptet, dass es bei diesen Kontakten – auch wenn sie stattgefunden haben mögen – eine Weitergabe von TAN erfragt worden sei. Daher mag der telefonische Kontakt per se nicht ungewöhnlich gewesen sein, wohl aber die Aufforderung, eine TAN weiterzugeben.

Ein Anspruch des Klägers auf Schadensersatz gegen die Beklagte, da es dieser nicht gelungen sei, das von ihr betriebene Online-Banking-Portal von Zugriffen Dritter freizuhalten, besteht nicht. Es kann dahinstehen, ob eine solche Verpflichtung der Beklagten besteht. Jedenfalls ist nicht erkennbar, dass ein Zugriff eines Dritten auf das Portal der Beklagten stattgefunden hat. Vielmehr ist es ebenso möglich, dass der Zugriff auf das Endgerät des Klägers erfolgte.

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Kurzbeitrag
Jan Pfeiffer
LG Koblenz: Keine Erstattung für grob fahrlässiges Online-Banking
CR 2022, R89

Aufsatz
Zwischenruf zum AGB-Änderungsmechanismus der Banken
Hans-Gert Vogel, ZIP 2022, 682

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 30.08.2022 13:22
Quelle: Bürgerservice Saarland

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