Aktuell in der CR

Was von § 15 Abs. 3 TMG übrig blieb (Drewes, CR 2020, 602)

Schon seit einiger Zeit wird in Deutschland kontrovers diskutiert, ob ein Einwilligungserfordernis für Cookies besteht, die nicht zwingend für die Nutzung des Diensteangebotes erforderlich sind. Weiterhin ist umstritten, aus welchen Rechtsnormen sich das Einwilligungserfordernis ableiten lässt. Der BGH hat mit Urteil vom 28.5.2020 (BGH v. 28.5.2020 – I ZR 7/16, CR 2020, 557 m. Anm. Stögmüller) erwartungsgemäß ein Einwilligungserfordernis für werblich genutzte Cookies aus dem Telemediengesetz (TMG) bejaht. Der BGH begründet dieses Erfordernis mit einer richtlinienkonformen Auslegung von § 15 Abs. 3 Satz 1 TMG. Das Ergebnis des BGH ist vor dem Hintergrund der europarechtlichen Vorgaben plausibel, überzeugt aber hinsichtlich der Begründung nicht. Hier wäre es naheliegender gewesen, auf das Zusammenspiel der Datenschutzbestimmungen im TMG abzustellen und hieraus das Einwilligungserfordernis für die Speicherung von Cookies zu Werbezwecken abzuleiten. Im Ergebnis ist daher eine andere Begründung vorzugswürdig. Der Gesetzgeber bleibt aufgefordert, Rechtsklarheit und -sicherheit zu schaffen, da die bestehende Regelung unabhängig von der konkreten Begründung unzureichend ist.

INHALTSVERZEICHNIS:

I. Höchstrich­ter­liche Argumen­ta­ti­ons­linie

II. Herleitung des Einwil­li­gungs­er­for­der­nisses aus dem TMG

1. Das ursprüng­liche Regelungs­konzept
    a) Zur Erstellung von Profilen
    b) Zur Markierung von Endge­räten im natio­nalen Daten­schutz­recht
    c) Zur Markierung von Endge­räten im Europäi­schen Daten­schutz­recht

 

2. Zum Einwil­li­gungs­er­for­dernis für die Markierung von Endge­räten im TMG
    a) Kontro­verse Diskussion in Deutschland
    b) Zum begrenzten Anwen­dungs­be­reich von § 15 Abs. 3 TMG
    c) Verblei­bender Umset­zungs­bedarf von Art. 5 Abs. 3 ePrivacy-Richt­linie

III. Die verblei­bende Bedeutung des Regelungs­ge­haltes von § 15 Abs. 3 TMG

1. Fehlende Anwend­barkeit von § 15 Abs. 3 TMG

2. Relevanz des Rechts­ge­dankens für Inter­es­sen­ab­wä­gungen nach Art. 6 DSGVO

3. Diffe­ren­zie­rungen bei der weiteren Daten­ver­ar­beitung erfor­derlich

4. Akuter Handlungs­bedarf für den Gesetz­geber

 


 

I. Höchstrich­ter­liche Argumen­ta­ti­ons­linie

1

Im Ausgangsfall hatte der BGH zu bewerten, ob bereits nach dem TMG eine Pflicht für Verant­wort­liche besteht, für die Markierung eines Endge­rätes für werbliche Zwecke durch Cookies eine Einwil­ligung einzu­holen.1

2

 Ansatz des EuGH: Der EuGH hatte nach Vorlage des BGH bereits mit Urteil vom 1.10.2019 eine umfas­sende Pflicht bejaht, sowohl für perso­nen­be­ziehbare als auch für nicht perso­nen­be­ziehbare Cookies eine Einwil­ligung einzu­holen.2 Diese Pflicht folgt aus Art. 5 Abs. 3 EU-Daten­schutz­richt­linie elektro­nische Kommu­ni­kation („ePrivacy-Richt­linie“), wonach für die Speicherung einer Kennziffer in einem Endgerät als auch für das Auslesen einer solchen Kennziffer eine vorherige Einwil­ligung des Betrof­fenen vorliegen muss.

3

 Ansatz des BGH: Der BGH kommt aufgrund einer richt­li­ni­en­kon­formen Auslegung von § 15 Abs. 3 Satz 1 TMG zu dem Ergebnis, dass für den Einsatz von Cookies zur Erstellung von Nutzer­pro­filen für Zwecke der Werbung oder Markt­for­schung die Einwil­ligung des Nutzers erfor­derlich ist.3 Der Grundsatz der richt­li­ni­en­kon­formen Auslegung fordere, das nationale Recht – wo dies nötig und möglich ist – richt­li­ni­en­konform im Wege der teleo­lo­gi­schen Reduktion fortzu­bilden.4 Das Erfor­dernis einer Einwil­ligung sei auch noch mit dem Wortlaut des § 15 Abs. 3 Satz 1 TMG vereinbar, obwohl dort explizit nur ein Wider­spruchs­recht des Betrof­fenen genannt wird. Der BGH begründet dies mit der Einschätzung des Gesetz­gebers, wonach „mit § 15 Abs. 3 Satz 1 TMG das unions­recht­liche Einwil-ligungs­er­for­dernis umgesetzt“ sein sollte.5 Aus Sicht des BGH ist auch die Regelung in § 15 Abs. 3 Satz 1 TMG unter Geltung der DSGVO weiter anwendbar, da diese Regelung Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Richt­linie 2002/58/EG umsetzt. Dies folge aus Art. 95 DSGVO , wonach entspre­chende Regelungen weiter anwendbar sind.6

4

 Umdeutung: Im Ergebnis hat der BGH eine Regelung, die explizit ein Wider­spruchs­recht des Betrof­fenen hinsichtlich einer Daten­ver­ar­beitung vorsieht, im Wege der richter­lichen Rechts­fort­bildung in ein Einwil­li­gungs­er­for­dernis des Betrof­fenen umgedeutet.

 

II. Herleitung des Einwil­li­gungs­er­for­der­nisses aus dem TMG

5

Die vom BGH unter I. angeführte Begründung für eine Einwil­ligung zum Setzen von Cookies in Endge­räten überzeugt nicht. Vielmehr ergibt sich das Opt-In-Erfor­dernis nach der Intention des Gesetz­gebers aus dem Regelungs­zu­sam­menhang der Daten­schutz­be­stim­mungen des TMG. Das Erfor­dernis einer Einwil­ligung für die Speicherung von Cookies – als einem der Haupt­an­wen­dungs­fälle der Markierung von Endge­räten – folgt aus (...)

Hier direkt weiterlesen im juris PartnerModul IT-Recht



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 15.09.2020 11:04

zurück zur vorherigen Seite