Gesetz zum Beschäftigtendatenschutz

Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort vom 12.9.2012 auf die in der Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke vom 31.8.2012 aufgeworfenen Fragestellungen auf ihrem bisherigen Standpunkt zur derzeitigen Entwurfsfassung beharrt.

Verfahrensstand-Anzeiger

Hinweis: Materialien zu diesem Gesetzgebungsvorhaben können am Ende dieser Seite abgerufen werden.

Der Entwurf sei "in der vorgelegten Fassung [...] weiterhin [...] ausgewogen und in der Sache richtig" (BT Drucksache 17/10666, S. 4). Im Zuge der Erarbeitung des Entwurfs seien "eine Vielzahl von Stellungnahmen, Bewertungen und Gutachten [...] in den Meinungsbildungsprozess eingeflossen" (a. a. O., S. 8). Es habe "zustimmende und ablehnende Stimmen" zum Gesetzentwurf gegeben,  jedoch sei  jede Kritik ernst genommen und berücksichtigt worden (a. a. O., S. 4).

Die Bundesregierung weist zudem darauf hin, dass der Entwurf gegenwärtig dem Bundestag zur Beratung vorliegt. Schon aus diesem Grunde könne sie keine Änderungsvorschläge für den bestehenden Entwurf einbringen. Die Fraktion Die Linke hatte erfragt, ob seitens der Bundesregierung selbst Änderungsanträge oder -formulierungen zum Gesetzentwurf bestünden. Inwieweit nunmehr Änderungen im Bundestag erfolgen würden, liege allein in dessen Entscheidungsbefugnis.

Ob die Beantwortung der Fragen die Fragesteller befriedigt und inwieweit die Antworten Anlass zu weiteren Fragen geben werden, bleibt abzuwarten.

 

Autor: Christian Klügel, Institut für Rechtsinformatik, Leibniz Universität Hannover

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Text der Vorversion(en):


Am 31.3.2010 hat Bundesinnenminister Thomas de Maiziére ein erstes Eckpunktepapier seines Hauses vorgestellt, in dem er die Verankerung des Arbeitnehmerdatenschutzes in das BDSG eingeht, wie es CDUCSU und FDP in ihrem Koalitionsvertrag für die 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages vereinbart haben. In einer Bestandsaufnahme nimmt das Papier Bezug auf den Koalitionsvertrag sowie die in jüngerer Zeit bekannt gewordenen Datenschutzverstöße bei den Unternehmen Lidl und Deutsche Bahn. Es wird auch festgehalten, dass der Arbeitnehmerdatenschutz durch die abweichende Rechtsprechung der Arbeitsgerichte uneinheitlich und daher für die betriebliche Umsetzung kaum praxisgerecht ist.

Das Eckpunktepapier greift folgende Aspekte auf:

CDUCSU und FDP haben in ihrem Koalitionsvertrag für die 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages vereinbart, den Arbeitnehmerdatenschutz als eigenes Kapitel im BDSG zu verankern.

  • Regelungen über die Datenerhebung beim Vorstellungsgespräch, also dazu, was der Arbeitgeber fragen darf;
  • Regelungen über Videoüberwachung am Arbeitsplatz und die Ortung mobiler Arbeitnehmer, sowie biometrische Daten zu Zugangskontrollzwecken;
  • Regelungen über die Verwendung von Verkehrs- und Nutzungsdaten über vom Arbeitnehmer genutzte Telekommunikations- und Telemediendienste;
  • Regelungen über betriebliche Gesundheitsuntersuchungen;
  • bestimmte Erlaubnisse für den Arbeitgeber, Daten zum Zweck der Korruptionsbekämpfung und Corporate Compliance zu verwenden;
  • die Möglichkeit kollektivrechtlicher Vereinbarungen im Bereich des Datenschutzes.

Die Eckpunkte reißen bislang überwiegend nur die zu behandelnden Aspekte auf, ohne inhaltliche Richtungen anzuzeigen.

Autor: Dennis Jlussi, Institut für Rechtsinformatik, Leibniz Universität Hannover  

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Am 28.5.2010 wurde ein Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums eines Gesetzes zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes öffentlicht.

Der Referentenentwurf zeigt, dass die Änderungen durch Einfügung von §§ 32 bis 32l in das BDSG erfolgen sollen. Der Referentenentwurf beinhaltet im Kern folgende Regelungen:

  • Die Vorschriften sollen für bestehende wie für frühere und zukünftige Arbeitsverhältnisse gelten;
  • der Arbeitgeber darf Daten vor Begründung des Beschäftigungsverhältnisses nur erheben und verarbeiten, soweit dies für die Beurteilung der Eignung des Bewerbers erforderlich ist. Bei besonderen Arten personenbezogener Daten (Rasse, Gesundheit u.a.) muss eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung vorliegen, wobei für kirchliche Einrichtungen, Parteien und Gewerkschaften entsprechende Ausnahmen vorgesehen sind;
  • die Verarbeitung personenbezogener Daten im Beschäftigungsverhältnis ist zum Zwecke der Aufklärung von Straftaten und Vertragsverletzungen möglich, und zwar auch präventiv;
  • die Videoüberwachung ist unter Voraussetzungen, die praktisch stets vorliegen dürften, zulässig;
  • der Arbeitgeber darf weitreichend die Verkehrsdaten betrieblicher TK-Anlagen speichern und verarbeiten, zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle jedoch nur, wenn die Privatnutzung verboten ist;
  • ein allgemeiner Einwilligungsvorbehalt besteht nicht;
  • der Arbeitgeber muss den Beschäftigten grundsätzlich informieren.

Autor: Dennis Jlussi, Institut für Rechtsinformatik, Leibniz Universität Hannover  

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Am 28.06.2010 ist sodann ein zweiter Referentenentwurf veröffentlicht worden, bevor am 25.08.2010 schließlich der Gesetzentwurf derBundesregierung in den Bundesrat eingebracht wurde. Die neueren Entwürfe erlauben nicht mehr die heimliche Videoüberwachung, enthalten sonst aber ohne keine wesentlichen inhaltlichen Änderungen.

Autor: Dennis Jlussi, Institut für Rechtsinformatik, Leibniz Universität Hannover  

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Am 25.10.2010 haben die zuständigen Ausschüsse des Bundesrats ihre Beschlussempfehlung abgegeben. Die Ausschüsse schlagen vor, den Arbeitnehmerdatenschutz nicht im BDSG, sondern in einem besonderen Gesetz zu verankern. Inhaltlich wird ein unzureichender Schutz der Arbeitnehmerinteressen gerügt. Insbesondere sei die Datenerhebung vor Begründung des Arbeitsverhältnisses ("Fragerechte des Arbeitgebers") auf objektiv fachliche Kriterien zu beschränken, und unter dem Gesichtspunkt der Vorzugswürdigkeit der Direkterhebung sei die Erhebung allgeein zugänglicher Daten aus dem Internet zu untersagen.

Der Bundesrat hat in seiner letztlich beschlossenen Stellungnahme vom 5.11.2010 jedoch keinen einzigen dieser inhaltlichen Kritikpunkte aufgegriffen, sondern lediglich bemängelt, der vorgeschlagene Gesetzestext sei wegen der vielen Verweise schwer zu lesen.

Prof. Marita Körner von der Universität der Bundeswehr München hat in ihrem am 8.11.2010 veröffentlichten Gutachten den Gesetzentwurf erheblichen verfassungsrechtlichen Zweifeln ausgesetzt. Die im Gesetzentwurf enthaltenen Regelungen wären demnach mit dem Recht der Arbeitnehmer auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG) nicht vereinbar.Im Mittelpunkt des Gesetzentwurfs habe nicht etwa der Schutz von Arbeitnehmerdaten gestanden, sondern die Informationsinteressen der Arbeitgeber. Körner kritisiert insbesondere den Rechtfertigungsgrund der "Compliance"; dieser angelsächsische Begriff sei nicht definiert, inhaltlich unscharf und daher im Ergebnis ein Einfallstor für praktisch jegliche Datenverarbeitung, woraus sich auch der Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selstbestimmung ergebe.

Autor: Dennis Jlussi, Institut für Rechtsinformatik, Leibniz Universität Hannover  

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Am 15.12.2010 hat die Bundesregierung den geänderten Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestag eingebracht. Die Änderungen sind in Teilen erheblich. So ist die Bundesregierung davon abgerückt, den Arbeitnehmerdatenschutz zur Disposition durch Betriebsräte zu stellen. Durch Betriebsvereinbarungen und auch Tarifverträge soll nunmehr nicht weiter von den Vorschriften des Gesetzes abgewichen werden können, als dies auch individualvertraglich möglich wäre, was praktisch nur noch eine Erhöhung des Schutzniveaus zulässt.

Autor: Dennis Jlussi, Institut für Rechtsinformatik, Leibniz Universität Hannover  

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Am 25.2.2011 wurde der Gesetzentwurf in erster Lesung im Deutschen Bundestag beraten.

Der Entwurf unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von den früheren Entwürfen, jedoch hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière einige Änderungen, hinsichtlich der Betriebsvereinbarungen und anderer Details, wieder zur Disposition gestellt.

Ansgesichts dessen, der noch anstehenden Anhörungen und eines konkreten Gegenentwurfs von Bündnis90/Die Grünen sind erhebliche Änderungen im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zu erwarten.

Der Gesetzentwurf scheint in der Tat zu Lasten des Datenschutzes die Arbeitgeberinteressen stark zu berücksichtigen. Die vorgesehenen Arbeitgeberbefugnisse sind insbesondere im Bereich Telekommunikation, Telemediennutzung und Videoüberwachung weitreichender, als dies heute in den meisten größeren Betrieben üblich und häufig durch Betriebsvereinbarung geregelt ist.

Im Hinblick darauf, nämlich auf Betriebsvereinbarungen, war bei den früheren Entwürfen bemerkenswert, dass diese nunmehr einer die Datenverarbeitung erlaubenden Rechtsvorschrift gleichstehen sollen; damit stünden die Persönlichkeitsrechte jedes Arbeitnehmers nunmehr zur Disposition seines Betriebsrats, was die Frage aufwirft, was an den Rechten dann noch "persönlich" ist. Misslungen war auch, dass Betriebsvereinbarungen zwar eine eigentlich verbotene Datenverarbeitung erlauben, nicht aber eine eigentlich erlaubte Datenverarbeitung wirksam verbieten könnten; eine entsprechendes Zugeständnis eines Arbeitgebers wäre zwar wohl zivilrechtlich wirksam, aber datenschutzrechtlich ohne Belang und daher auch nicht strafbewehrt. Die Änderung im Entwurf ist daher zu begrüßen, die angekündigte eventuelle Kehrtwende bedenklich.

Im Gegensatz zu Betriebsvereinbarungen sollen individuelle Einwilligungen im Bereich des Arbeitnehmerdatenschutzes grundsätzlich ausgeschlossen sein, was die informationelle Selbstbestimmung im individuellen Arbeitsverhältnis zu einem reinen Abwehrrecht macht.

Autor: Dennis Jlussi, Institut für Rechtsinformatik, Leibniz Universität Hannover

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Mit einer Kleinen Anfrage hat die Fraktion Die Linke sich am 31.08.2012 an die Bundesregierung gewandt und ihre Bedenken an dem Gesetzentwurf in seiner derzeitigen Fassung aufgezeigt. In den Vorbemerkungen mahnt die Fraktion Die Linke ausdrücklich die "falsche Stoßrichtung" des Gesetzentwurfs, nämlich die primäre Berücksichtigung der wirtschaftlichen Arbeitgeberinteressen, an. Eines der erklärten Ziele des Gesetzesvorhabens sei es jedoch gerade gewesen, dem Grundrecht der Beschäftigten auf informationelle Selbstbestimmung in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmer, durch die Beseitigung bestehender Schutzlücken im BDSG, zur wirksamen Durchsetzung zu verhelfen. In ihren insgesamt 27 teils detaillierten Fragen erbittet die Fraktion u.a. Auskunft darüber, welche die nach Auffassung der Bundesregierung akutesten Probleme im Bereich des Beschäftigtendatenschutzes aus Sicht der Beschäftigten seien. 

Prägnanz dürfte insbesondere den Fragestellungen zukommen, die die weitreichenden Befugnisse der Arbeitgeber im Hinblick auf die Telekommunikations- und Videoüberwachung am Arbeitsplatz betreffen. Das Eckpunktepapier des Bundesministers des Innern vom 31.3.2010 benennt als Zweck der gesetzlichen (Neu-) Regelung eines spezifischen Beschäftigtendatenschutzes explizit, die bisherige arbeitsgerichtliche Rechtsprechung vereinheitlichen und kodifizieren zu wollen, um dadurch Rechtssicherheit sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber zu schaffen. Die Fraktion Die Linke möchte insofern von der Bundesregierung wissen, warum der Gesetzentwurf in seiner derzeitigen Fassung dem Arbeitgeber Befugnisse zugestehe, die der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes entweder zuwiderliefen oder zumindest die durch sie gesetzten Grenzen überschritten.

 

Autor: Christian Klügel, Institut für Rechtsinformatik, Leibniz Universität Hannover

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Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage vom 12. September 2012

Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke vom 31. August 2012

Gutachten Prof. Körner vom 8. November 2010

Stellungnahme des Bundesrats vom 5. November 2010

Beschlussempfehlung der Bundesrats-Ausschüsse vom 25. Oktober 2010

Regierungsantrag vom 25. August 2010

Referentenentwurf vom 28. Juni 2010

Referentenentwurf eines Gesetzes zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes vom 28. Mai 2010

Eckpunktepapier des Bundesministers des Innern vom 31. März 2010

Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP vom 26. Oktober 2009 (S. 106)

Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 15. Dezember 2010



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 02.10.2012 12:07

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