Gesetzesantrag des Landes Hessen: "Digitaler Hausfriedensbruch"

Am 2.11.2016 veröffentlichte der die Bundesregierung Ihre Stellungnahme zu dem am 23.9.2016 vom Bundesrat beschlossenen Gesetzesentwurf.

Verfahrensstand-Anzeiger

Hinweis: Materialien zu diesem Gesetzgebungsvorhaben können am Ende dieser Seite abgerufen werden.

Die Bundesregierung teilt die Auffassung des Bundesrates nicht, dass hinsichtlich der Botnetz-Kriminalität aktuelle Strafbarkeitslücken bestünden, da nahezu sämtliche Aktivitäten beim Aufbau und Betrieb eines Botnetzes bereits nach geltendem Recht Straftatbeständen des Strafgesetzbuches unterfallen würden (u.a. §§ 202c, 202a, 303a, 303b Ans. 1 Nr. 2 StGB).

Die Bundesregierung kritisiert außerdem, dass die vorgesehene Einschränkung des Tatbestands durch eine Bagatellklausel (§ 202e Abs. 1 S. 2 StGB-E) offen lasse, wann eine Eignung zur Beeinträchtigung berechtigter Interessen gegeben sei, was zu Rechtsunsicherheit führen dürfte, sowie die Strafandrohung von mindestens einem Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe für den Fall, dass der Täter in der Absicht handelt, den Ausfall oder eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit kritischer Infrastrukturen zu bewirken (§ 202e Absatz 4 StGB-E), da die Einstufung als Verbrechen an ein subjektives Element anknüpfe, ohne dass es objektiv zu einer Gefährdung oder Beeinträchtigung einer kritischen Infrastruktur kommen müsse.

Beatrice Goihl, ecambria experts - Köln

Text der Vorversion(en):


Am 23.9.2016 hat der Bundesrat beschlossen den Gesetzesentwurf zur Einführung des Straftatbestandes "Digitaler Hausfriedensbruch" in den Bundestag einzubringen. 

Der geplante § 202e StGB soll demnach wie folgt lauten:

"§ 202e- Unbefugte Benutzung informationstechnischer Systeme

(1) Wer unbefugt
1. sich oder einem Dritten den Zugang zu einem informationstechnischen System verschafft,
2. ein informationstechnisches System in Gebrauch nimmt oder
3. einen Datenverarbeitungsvorgang oder einen informationstechnischen Ablauf auf einem informationstechnischen System beeinflusst oder in Gang setzt, wird mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. Die Tat nach Satz 1 ist nur strafbar, wenn sie geeignet ist, berechtigte Interessen eines anderen zu beeinträchtigen.

(2) Mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer eine in Absatz 1 bezeichnete Handlung
1. gegen Entgelt oder
2. in der Absicht, sich oder einen Dritten zu bereichern oder einen Dritten zu schädigen, begeht, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
1. gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten unter Nutzung von informationstechnischen Systemen verbunden hat,
2. den Zugang zu einer großen Anzahl von informationstechnischen Systemen verschafft oder eine große Anzahl von informationstechnischen Systemen in Gebrauch nimmt oder eine große Anzahl von Datenverarbeitungsvorgängen oder informationstechnischen Abläufen beeinflusst oder in Gang setzt oder
3. in der Absicht handelt, 
a) eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit,
b) eine gemeingefährliche Straftat oder
c) eine besonders schwere Straftat gegen die Umwelt nach § 330 herbeizuführen oder zu ermöglichen.

(4) Handelt der Täter in der Absicht, einen Ausfall oder eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit kritischer Infrastrukturen zu bewirken, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(5) Der Versuch ist strafbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist
1. informationstechnisches System nur ein solches, das
a) zur Verarbeitung personenbezogener Daten geeignet oder bestimmt ist oder
b) Teil einer Einrichtung oder Anlage ist, die wirtschaftlichen, öffentlichen, wissenschaftlichen, künstlerischen, gemeinnützigen oder sportlichen Zwecken dient oder die den Bereichen Energie, Telekommunikation,
Transport und Verkehr, Gesundheit, Wasser, Ernährung, Versorgung, Haustechnik oder Haushaltstechnik angehört;
2. kritische Infrastruktur eine Einrichtung, Anlage oder Teile davon, die
a) den Bereichen Energie, Informationstechnik und Telekommunikation, Transport und Verkehr, Gesundheit, Wasser, Ernährung oder Finanzund Versicherungswesen angehören und
b) von hoher Bedeutung für das Funktionieren des Gemeinwesens sind, weil durch ihren Ausfall oder ihre Beeinträchtigung ein erheblicher Versorgungsengpass oder eine Gefährdung für die öffentliche Sicherheit eintreten würde.

(7) Ist in den Fällen des Absatzes 1 und 2 ein Angehöriger, der Vormund oder der Betreuer verletzt oder lebt der Verletzte mit dem Täter in häuslicher Gemeinschaft, so wird die Tat nur auf Antrag verfolgt."

Am 9.9.2016 veröffentlichten der Ausschuss für Innere Angelegenheiten und der Rechtsausschuss die Empfehlungen zu dem Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes zur Einführung des Straftatbestandes "Digitaler Hausfriedensbruch". 

Die Ausschüsse empfehlen dem Bundesrat den Gesetzentwurf gem. Art. 76 Absatz 1 GG beim Deutschen Bundestag einzubringen, sowie Staatsministerin Eva Kühne-Hörmann (Hessen) zur Beauftragten des Bundesrates für die Beratung des Gesetzentwurfes zu bestellen


Am 17.6.2016 hat das Land Hessen einen Gesetzesantrag zu dem Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes hinsichtlich der Strafbarkeit der unbefugten Benutzung informationstechnischer Systeme ("Digitaler Hausfriedensbruch") gestellt.

Der Gesetzesantrag richtet sich auf die Einfügung eines § 202 e in das Strafgesetzbuch, nach dem sich strafbar macht, " wer unbefugt sich oder einem Dritten den Zugang zu einem informationstechnischen System verschafft, ein informationstechnisches System in Gebrauch nimmt oder einen Datenverarbeitungsvorgang oder einen informationstechnischen Ablauf auf einem informationstechnischen System beeinflusst oder in Gang setzt.

Ein informationstechnisches System i.S.d Vorschrift ist dem Antrag zufolge ein solches, das zur Verarbeitung personenbezogener Daten geeignet oder bestimmt ist, oder Teil einer Einrichtung oder Anlage ist, die wirtschaftlichen, öffentlichen, wissenschaftlichen, künstlerischen, gemeinnützigen oder sportlichen Zwecken dient oder die den Bereichen Energie, Telekommunikation, Transport und Verkehr,Gesundheit, Wasser, Ernährung, Versorgung, Haustechnik oder Haushaltstechnik angehört.

Die Gefahr für die Allgemeinheit, die von unbefugt genutzten informationstechnischen Systemen ausgeht, sei hoch. Angriffe auf Internetseiten mittels sogenannter "Distributed-denial-of-service (DDos)"-Attacken, viele davon in krimineller Absicht, machen Webseiten vorrübergehend unerreichbar. Es finden Cyberattacken auf mit dem Internet verbundene Kritische Infrastrukturen, also Einrichtungen wie große Industrieanlagen, Elektrizitätswerke, Staudämme, Anlagen der Wasserversorgung oder Telekommunikationsanlagen, statt, die diese beschädigen, empfindlich stören oder unbrauchbar machen sollen. Selbst in einem deutschen Atomkraftwerk wurde bereits Schadsoftware entdeckt.

Das Land Hessen ist der Ansicht, derzeit seien selbst Fahrräder strafrechtlich besser geschützt als Computer mit höchstpersönlichen Daten, und forderte daher einen lückenlosen Schutz aller Systeme und Strafbarkeit für nahezu alle Angriffsarten.

Dipl.-Psych. Alica Mohnert, LL.M. (CUPL), Beatrice Goihl, ecambria experts - Köln

 



2016-11: Stellungnahme der Bundesregierung v. 2.11.2016, Drs.: 18/10182

2015-9: Gesetzesentwurf des Bundesrates v. 23.9.2016, Drs.: 338/16 (B)

2016-9: Empfehlungen der Ausschüsse v. 9.9.2016, Drs.: 338/1/16

2016-6: Gesetzesantrag des Landes Hessen v. 17.6.2016, Drs.: 338/16



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 06.04.2021 21:57

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