EuGH v. 27.4.2022 - C-674/20

Airbnb: Steuerliche Auskunftspflichten von Vermittlern touristischer Unterkünfte

Es widerspricht nicht dem Unionsrecht, wenn in Belgien die Erbringer von Dienstleistungen der Immobilienvermittlung und insbesondere die für eine elektronische Plattform für Unterkünfte Verantwortlichen durch regionale Rechtsvorschriften dazu verpflichtet werden, der Steuerverwaltung bestimmte Angaben über Geschäfte zu übermitteln, die die Beherbergung von Touristen betreffen. Die regionale Rechtsvorschrift, die einen Betreiber zur Übermittlung bestimmter Angaben über Touristenunterkünfte verpflichtet, ist ihrer Art nach eine steuerliche Vorschrift und daher vom Anwendungsbereich der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr ausgenommen.

Der Sachverhalt:
Airbnb Ireland ist eine irische Gesellschaft, die gegen Entgelt über ein elektronisches Portal u.a. Geschäftsbeziehungen zwischen potenziellen Mietern und gewerblichen oder nicht gewerblichen Vermietern anbahnt, die Beherbergungsleistungen anbieten. Gemäß einer Ordonnanz der Region Brüssel-Hauptstadt über die Regionalsteuer auf Touristenunterkünfte wurde Airbnb Ireland dazu aufgefordert, der Steuerverwaltung der Region Angaben über die im Jahr 2017 getätigten Geschäfte zu übermitteln, die Touristen betreffen.

Das Unternehmen war indessen der Auffassung, dass die Übermittlung solcher Informationen gegen das Unionsrecht und insbesondere gegen den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs verstoße, und beantragte daher beim belgischen Verfassungsgerichtshof, die Vorschrift der streitigen Ordonnanz, aus der sich diese Mitteilungspflicht ergibt, für nichtig zu erklären.

Der Verfassungsgerichtshof möchte vom EuGH wissen, ob diese Vorschrift in der Form, in der sie auf jene Anwendung findet, die für eine elektronische Plattform für Beherbergungsdienstleistungen verantwortlich sind, eine Steuervorschrift darstellt, die ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr ausgenommen ist. Außerdem möchte der Verfassungsgerichthof vom EuGH wissen, ob die genannte Vorschrift insofern eine Beeinträchtigung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellen kann, als sie zur Übermittlung derjenigen Daten an die Steuerverwaltung verpflichtet, die Geschäfte zur Beherbergung von Touristen betreffen.

Die Gründe:
Die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr ist auf der Grundlage der Vorschriften der Verträge erlassen worden, die Bestimmungen über die Steuern von ihrem Anwendungsbereich ausnehmen, da der Erlass von Bestimmungen über die Steuern unter andere Vorschriften dieser Verträge fällt. Das Steuerwesen ist nach den Erwägungsgründen der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr ausdrücklich vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen.

Bei Vermittlungsdienstleistungen für Immobilien wie den von Airbnb Ireland erbrachten handelt es sich zwar um Dienste der Informationsgesellschaft, die die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr regelt. Allerdings ist die fragliche Vorschrift der streitigen Ordonnanz in der Form, wie diese Vorschrift auf die Verantwortlichen einer elektronischen Plattform für die Erbringung derartiger Dienstleistungen Anwendung findet und was ihren Inhalt betrifft, nicht von dieser Ordonnanz zu trennen. Und sie stellt selbst eine steuerliche Regelung dar; demzufolge fällt die fragliche Vorschrift in den "Bereich der Besteuerung", der ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/31 ausgenommen ist.

Die Verpflichtung zur Übermittlung bestimmter Informationen über die Geschäfte zur Beherbergung von Touristen gilt für sämtliche Erbringer von Dienstleistungen der Immobilienvermittlung, und zwar unabhängig vom Ort der Niederlassung dieser Vermittler und unabhängig davon, wie die genannten Dienstleistungen von ihnen erbracht werden. Demnach ist die fragliche Vorschrift der streitigen Ordonnanz nicht diskriminierend, sondern beschränkt sich darauf, die betroffenen Dienstleistungserbringer zu verpflichten, Daten über die Geschäfte zur Beherbergung von Touristen aufzubewahren sowie diese Daten auf Verlangen der Steuerverwaltung der Region an diese Steuerverwaltung zu übermitteln, damit die Steuern für die Vermietung der fraglichen Mietgegenstände exakt erhoben werden können.

Was insbesondere das Vorbringen betrifft, es bestehe die Gefahr, dass Immobilienvermittlungsdienstleistungen wie die von Airbnb Ireland erbrachten stärker von der fraglichen Vorschrift der streitigen Ordonnanz betroffen würden, ist festzustellen, dass eine stärkere Betroffenheit nur die größere Zahl von Geschäften, die diese Vermittler vornehmen, sowie deren jeweiligen Marktanteil widerspiegelt. Maßnahmen, deren einzige Wirkung es ist, zusätzliche Kosten für eine bestimmte Dienstleistung zu verursachen, und die die Dienstleistungserbringung in gleicher Weise ungeachtet dessen betreffen, welchem Mitgliedstaat der Erbringer angehört, können keine Beeinträchtigung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellen.

Daher läuft die fragliche Vorschrift der streitigen Ordonnanz insofern nicht dem freien Dienstleistungsverkehr in der Union zuwider, als sie für sämtliche Erbringer von Dienstleistungen der Immobilienvermittlung unabhängig von ihrem Niederlassungsort und ihren Vermittlungsmodalitäten gilt.

Mehr zum Thema:

  • Literatur: Die verbindliche Auskunft als Baustein der kooperativen Compliance – Ausgewählte internationale Ansätze und deren Implikationen für nationale Vorschriften (AOStB 2022, 32)
  • Rechtsprechung: EuGH vom 30.09.2021, C-186/20 – Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und Betrugsbekämpfung – Auswirkung einer Überschreitung der festgelegten Frist zur Informationsübermittlung auf die Rechtmäßigkeit der Aussetzung einer Steuerprüfung (UR 2022, 32)
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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 28.04.2022 11:23
Quelle: EuGH PM Nr. 65 vom 26.4.2022

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