Aktuell in der CR

Umsetzung der neuen Anforderungen bei der Vertragsgestaltung (Schneider/Streitz, CR 2022, 141)

In CR 2022, 1 ff. und CR 2022, 73 ff. haben wir die rechtlichen und technischen Auswirkungen der neuen Anforderungen aufgrund der Umsetzung der DID-​RL und der WK-​RL dargestellt. Eingangs (I.) wird die Zuordnung der digitalen Gegenstände zu DID und WK kurz zusammengefasst, wobei es dann im Folgenden im Wesentlichen um DID geht (§ 327 ff. BGB). Das Problem der Konkordanz, das der Vorschlag lösen will, stellt sich in gleicher Weise vorgreiflich bei WK. Die Kumulation und die Gleichrangigkeit von Anforderungen erfordern es, eine Auslegungsleistung zu erbringen, die die Widersprüche und gegensätzlichen Maßgaben in einer handhabbaren Mechanik abbildet. Dieser Beitrag zeigt einige Ansätze für die Vertragsgestaltung.

Gestaltungsmöglichkeiten, Leistungsspezifikationen und Abwägungsmodell

INHALTSVERZEICHNIS:

I. Abgrenzung DID- und WK-RL

1. Verhältnis der beiden Richtlinien zueinander

2. Anwendbarkeit der §§ 327 ff.

3. Vorgreiflichkeit der Herstellung der Konkordanz

II. Absenkung der Anforderungen

1. AGB-Problem

2. Möglichkeiten für eine Absenkung der Anforderungen

a) Verhältnis zum BGB-BT

b) Verhältnis zwischen objektiven und subjektiven Anforderungen

3. Vorverlagerung

4. Priorisierung, Rangfolge über Leistungsbestimmung

III. Leistungsspezifikationen

1. Ziele

2. Vergleichsmenge

3. Vernünftigkeit

4. Abstufung der Merkmale und Leistungsbeschreibung

IV. Gestaltungsmöglichkeiten von Ausprägungen

1. Produkttyp

2. Anwendungsbereich

3. Anforderungscluster

4. Aktualität

5. Zusammenfassung

V. Vertragsthemen und Stichworte zur möglichen Gestaltung in Kurzform

 


Lesprobe:

"Dieser Beitrag zeigt einige Ansätze für die Vertragsgestaltung. Die vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten des Unternehmers gegenüber Verbrauchern sind gering. Eine Absenkung von Anforderungen ist nur sehr eingeschränkt durch AGB und negative Beschaffenheitsvereinbarungen möglich (II.). Eine Verlagerung von Bestimmungen zur Beschaffenheit in die Leistungsspezifikationen bietet die Möglichkeit, die Ausprägung der Anforderungen an die Vertragsgemäßheit der Leistung zu regeln. Damit wird auch der Rahmen abgesteckt, was der Verbraucher vernünftigerweise erwarten kann (III.). Der Vorschlag zielt also nicht auf Formulierungen in AGB ab, sondern – v.a. mangels Spielräumen – auf die technisch orientierte Konkretisierung bei Inhalt und Aufbau von Leistungsspezifikationen (IV.). Den Abschluss bilden kurze Hinweise zu den Themen vertraglicher Ausgestaltung (V.).
 

I. Abgrenzung DID- und WK-RL
 
1. Verhältnis der beiden Richtlinien zueinander

Die beiden Richtlinien und ihre Umsetzung sind nicht jeweils isoliert zu sehen, sondern bilden idealerweise im Ergebnis eine Einheit, auch wenn die DID-RL, wie sie im BGB auch umgesetzt wurde, einen eigenen Block neuer Regelungen darstellt, während die WK-RL eher eine Art (harmonisierendes) Update für den Verbrauchsgüterkauf bildet. Gewollt war, dass die beiden Regelungskomplexe naht- bzw. lückenlos zusammenpassen und für digitale Gegenstände weitgehend entsprechende Regeln gelten. So kommt es, dass digitale Gegenstände mal als digitales Produkt, mal als Ware mit digitalen Elementen behandelt werden, obwohl es sich um den gleichen Gegenstand (z.B. Software, etwa eine App) 1 handelt. Auch als Teil der digitalen Strategie der EU müssen die beiden Regelungsbereiche einerseits „eng miteinan-CR 2022, 142der verzahnt“ gesehen, „aber auch voneinander abgegrenzt“ werden. 2 Tatsächlich kommt es dann nur (!) auf einen vertragsrechtlichen Unterschied an, ob die §§ 327 ff. BGB oder 475a ff. anzuwenden sind (§ 327a Abs. 3, dazu sogleich unter 2.).
 

2. Anwendbarkeit der §§ 327 ff.

§§ 327 ff. sind anzuwenden und gegenüber dem Kauf von Waren mit digitalen Elementen (§ 475a ff.) abzugrenzen:

  • 1. Digitale Produkte sind Bereitstellung digitaler Inhalte und Bereitstellung digitaler Dienstleistungen ... gegen Zahlung eines Preises (§ 327 Abs. 1 Satz 1).

  • 2. Auch auf Verträge, die die Bereitstellung von körperlichen Datenträgern, die ausschließlich als Träger digitaler Inhalte dienen, zum Gegenstand haben, sind die §§ 327 ff. – mit Ausnahme der § 327b und § 327c anzuwenden (§ 327 Abs. 5).

  • 3. §§ 327 ff. sind mit einigen Ausnahmen bzw. Besonderheiten auch anzuwenden auf Paketverträge (Vertrag zwischen denselben Vertragsparteien, der neben der Bereitstellung digitaler Produkte die Bereitstellung anderer Sachen oder die Bereitstellung anderer Dienstleistungen in einem [einzigen 4 ] Vertrag zum Gegenstand hat) (§ 327a Abs. 1 Satz 1 und 2).

  • 4. „Echte“ verbundene Sachen, § 327a Abs. 2 Satz 1:

    Grundsatz „zweigleisig“: §§ 327 ff. sind anzuwenden auf Verbraucherverträge über Sachen, die digitale Produkte enthalten oder mit ihnen verbunden sind, jedoch weitgehend (bis auf Ausnahmen) nur auf diejenigen Bestandteile des Vertrags, welche die digitalen Produkte betreffen.

    Ausnahme: Das gilt aber nicht für Kaufverträge (!) über Waren mit digitalen Elementen, § 327a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 475a.

  • 5. Nach der „Im-Zweifel-Regelung“ in § 327a Abs. 3 Satz 2 sind die §§ 327 ff. nicht auf Kaufverträge über Waren mit digitalen Elementen anzuwenden, weil (s. § 475b Abs. 1 Satz 2) „im Zweifel anzunehmen ist, dass die Verpflichtung des Verkäufers die Bereitstellung der digitalen Inhalte oder digitalen Dienstleistungen umfasst.“.

Im Ergebnis ist die Gruppe digitaler Gegenstände, auf die die §§ 327 ff. (wenn auch evtl. nur teilweise) anzuwenden sind, noch sehr viel größer als die Gruppe „reiner“ digitaler Produkte (= digitale Inhalte und Dienstleistungen). Während das Gesetz die Anwendbarkeit der §§ 327 ff. grundsätzlich losgelöst vom Vertragstyp anordnet, gilt dies bei Kaufverträgen über Waren mit digitalen Elementen nur dann, wenn die Vermutung nach oben 5. nichts anderes ergibt:

1.) Grundsatz: Die §§ 327 ff. sind anwendbar:

  • Uneingeschränkt bei reinen digitalen Produkten (Inhalten und Dienstleistungen) und „unechten“ verbundenen Sachen (v.a. Datenträger)

  • Nur auf den Vertragsteil mit digitalem Produkt bei Paketverträgen und bei „echten“ verbundenen Sachen

2.) Ausnahme: Bei Kaufvertrag über …"

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 11.03.2022 12:45

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