VG Köln v. 1.3.2022 - 6 L 1277/21 u.a.

Eilanträge von Google und Meta erfolgreich: Netzwerkdurchsetzungsgesetz verstößt teilweise gegen Unionsrecht

Zentrale Vorschriften des novellierten Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) sind wegen Verstoßes gegen unionsrechtliche Vorschriften unanwendbar. Dies hat das VG Köln entschieden und damit Eilanträgen der Google Ireland Ltd. und der Meta Platforms Ireland Limited gegen die Bundesrepublik Deutschland teilweise stattgegeben.

Der Sachverhalt:
Das novellierte NetzDG verpflichtet mit dem neu eingefügten § 3a Anbieter sozialer Netzwerke dazu, Inhalte, die ihnen im Rahmen einer Beschwerde über rechtswidrige Inhalte (sog. NetzDG-Beschwerde) gemeldet worden sind und welche sie entfernt oder zu denen sie den Zugang gesperrt haben, auf das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für bestimmte Straftatbestände zu überprüfen. Liegen solche Anhaltspunkte vor, müssen die Inhalte zusammen mit bestimmten Nutzerangaben an das Bundeskriminalamt übermittelt werden. § 3b NetzDG verpflichtet die Anbieter sozialer Netzwerke dazu, ein Gegenvorstellungsverfahren in Bezug auf Entscheidungen über die Entfernung oder die Sperrung des Zugangs zu einem Inhalt einzuführen. In § 4a NetzDG wird das Bundesamt für Justiz als für die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften des NetzDG zuständige Behörde bestimmt.

Die in Irland niedergelassenen Anbieter der sozialen Netzwerke Youtube (Google), Facebook und Instagram (beide Meta) haben mit ihren Eilanträgen jeweils die Feststellung beantragt, dass sie nicht den neu geschaffenen Pflichten des NetzDG unterliegen. Zur Begründung machten sie Verstöße gegen Unionsrecht sowie nationales Verfassungsrecht geltend.

Dem ist das Gericht teilweise gefolgt. Gegen die Beschlüsse können die Beteiligten jeweils Beschwerde einlegen, über die das OVG Münster entscheiden würde.

Die Gründe:
Beide Eilverfahren sind nur zum Teil zulässig. Soweit sie sich auch auf die Pflicht beziehen, ein Gegenvorstellungsverfahren in Bezug auf Entscheidungen über die Entfernung oder die Sperrung des Zugangs zu einem Inhalt einzuführen, denen keine NetzDG-Beschwerde zugrunde liegt, fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis. Insoweit müssen sich die Antragstellerinnen auf den Rechtsschutz gegen etwaige aufsichtsbehördliche Verfügungen verweisen lassen.

Der Gesetzgeber hat bei der Einführung des § 3a NetzDG gegen das Herkunftslandprinzip der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (ECRL) verstoßen. Nach diesem Prinzip richten sich die rechtlichen Anforderungen an einen in einem Mitgliedsstaat der EU niedergelassenen Anbieter elektronischer Dienste nach dem Recht seines Sitzstaates. Die Antragsgegnerin kann sich nicht auf Ausnahmen von diesem Prinzip berufen, da der Gesetzgeber weder das für Ausnahmen vorgesehene Konsultations- und Informationsverfahren durchgeführt hat noch die Voraussetzungen eines Dringlichkeitsverfahrens vorgelegen haben.

§ 4a NetzDG, der nur im Verfahren von Google Streitgegenstand war, verstößt gegen die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, die auf Videosharingplattform-Dienste Anwendung findet. Diese statuiert den Grundsatz der rechtlichen und funktionellen Unabhängigkeit der zur Überwachung der Pflichtenerfüllung der Diensteanbieter zuständigen Medienbehörden. Da das als Bundesoberbehörde eingerichtete Bundesamt für Justiz mit Sitz in Bonn dem Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz untersteht und von diesem Weisungen entgegennimmt, kann von der von der Richtlinie geforderten Staatsferne beim Bundesamt für Justiz keine Rede sein.

Im Verfahren der Meta Platforms Ireland Limited war der Antrag in Bezug auf das mit § 3b Abs. 1 NetzDG eingeführte Gegenvorstellungsverfahren nach Entscheidungen über NetzDG-Beschwerden abzulehnen: Die Vorschrift ist von der Befugnis der EU-Mitgliedstaaten zur Festlegung von Verfahren für die Entfernung einer Information oder die Sperrung des Zugangs zu ihr (Art. 14 Abs. 3 ECRL) gedeckt. Auch ein Verstoß gegen die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union gewährleistete unternehmerische Freiheit oder nationales Verfassungsrecht ist nicht gegeben.

Die gerichtlichen Beschlüsse wirken nur zwischen den jeweiligen Verfahrensbeteiligten.

Az.:
6 L 1277/21 (Google Ireland Ltd.)
6 L 1354/21 (Meta Platforms Ireland Limited)

Hinweis: Beim VG Köln sind in Bezug auf das NetzDG weitere Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz der Twitter International Unlimited Company (6 L 140/22) und TikTok Technology Limited (6 L 183/22) anhängig. Wann in diesen Verfahren Entscheidungen ergehen werden, ist derzeit offen.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 02.03.2022 17:15
Quelle: VG Köln PM vom 1.3.2022

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