BGH v. 22.7.2021 - I ZR 123/20

Zur Wettbewerbswidrigkeit einer Kanzlei-Webseite

Die im Internetauftritt einer Rechtsanwältin enthaltene unzutreffende Behauptung, derzeit Mitglied der Vorstandsabteilung für Vermittlungen einer Rechtsanwaltskammer zu sein, ist durchaus eine irreführende geschäftliche Handlung, die auch dann i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte, wenn in der Vergangenheit eine solche Mitgliedschaft bestanden hat.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin und die Beklagte bieten Rechtsanwaltsdienstleistungen an. Ein Teil der Gesellschafter der Klägerin war im Jahr 2014 für mehrere Monate mit der Beklagten zur gemeinsamen Berufsausübung zusammengeschlossen. Die Parteien führten seit Mitte 2015 unter umgekehrtem Rubrum eine wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzung vor dem LG München I und dem OLG München, die jedenfalls im Zeitpunkt des vorliegenden erstinstanzlichen Rechtsstreits noch andauerte.

Auf der von der Beklagten betriebenen Internetseite war im Mai 2018 auf der Unterseite "Anwälte" und der Rubrik "S. F." und dort unter der Überschrift "Besondere Aktivitäten" aufgeführt:

„Mitglied der Vorstandsabteilung XII (Vermittlungen) der Rechtsanwaltskammer München.“

Die Beklagte war allerdings seit 2012 nicht mehr Mitglied der Vorstandsabteilung XII der Rechtsanwaltskammer München. Nach vorgerichtlicher Abmahnung erwirkte die Klägerin gegen die Beklagte wegen des vorliegend streitgegenständlichen Verhaltens im Juni 2018 eine einstweilige Verfügung des LG Berlin. Die Klägerin hielt die angegriffene Angabe für eine unlautere irreführende Angabe.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Entscheidung wurde vom KG bestätigt. Auf die Revision der Klägerin hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und der Klage stattgegeben.

Gründe:
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gem. § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG ist begründet. Die unzutreffende Behauptung des derzeitigen Bestehens einer Mitgliedschaft der Vorstandsabteilung XII der Rechtsanwaltskammer München ist eine irreführende geschäftliche Handlung, die auch dann geeignet, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte, wenn in der Vergangenheit eine solche Mitgliedschaft bestanden hat.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die angegriffene Angabe sei nicht - wie nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG für die Einordnung als unlautere irreführende geschäftliche Handlung erforderlich - geeignet, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte, hat keinen Bestand. Die im Internetauftritt einer Rechtsanwältin enthaltene unzutreffende Behauptung, derzeit Mitglied der Vorstandsabteilung für Vermittlungen einer Rechtsanwaltskammer zu sein, ist durchaus eine irreführende geschäftliche Handlung, die auch dann i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Handlung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte, wenn in der Vergangenheit eine solche Mitgliedschaft bestanden hat.

Tatsächliche Umstände, die gegen eine geschäftliche Relevanz des als Irreführung beanstandeten Verhaltens i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG sprechen, liegen in der Darlegungs- und Beweislast der auf Unterlassung in Anspruch genommenen Partei. Eine Rechtsanwaltsgesellschaft, die gegen eine Rechtsanwältin wegen der als unzutreffend beanstandeten Behauptung einer derzeitigen Mitgliedschaft in der Vorstandsabteilung für Vermittlungen einer Rechtsanwaltskammer Klage erhoben hat, kann den Vortrag der Beklagten, zu einem früheren Zeitpunkt Mitglied dieser Vorstandsabteilung gewesen zu sein, durchaus gem. § 138 Abs. 4 ZPO wirksam mit Nichtwissen bestreiten.

Infolgedessen hat das Berufungsgericht der Klägerin zu Unrecht eine gesteigerte Behauptungslast auferlegt. Die Beklagte hatte ihrer Darlegungslast mit der Behauptung ihrer früheren Mitgliedschaft in dieser Vorstandsabteilung genügt. Die Klägerin hat diese Behauptung entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts wirksam mit Nichtwissen bestritten. Es verhält sich infolgedessen so, dass eine Angabe der streitgegenständlichen Art in der anwaltlichen Werbung durchaus Eindruck auf den Rechtsrat suchenden Verbraucher macht, weil mit ihr nicht nur die Botschaft transportiert wird, dass die werbende Rechtsanwältin für würdig befunden worden ist, in einer Vorstandsabteilung mitzuwirken, sondern sie auch über Erfahrungen in der Streitschlichtung im Umgang mit Rechtsanwälten verfügt.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 29.09.2021 12:32
Quelle: BGH online

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