LG Paderborn v. 8.7.2021 - 4 O 323/20

Zur Rückerstattung bei illegalem Online-Glücksspiel

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung benachteiligt eine Rechtswahlklausel die Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, weil sich aus ihr nicht klar und verständlich ergibt, welche Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit der Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien entstandene Streitigkeiten gelten sollen. Gem. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Rom-I-VO können die Parteien auch bei abgeschlossenen Verbraucherverträgen das anzuwendende Recht grundsätzlich gem. Art. 3 Rom-I-VO frei wählen.

Der Sachverhalt:
Die Beklagte veranstaltet auf der von ihr betriebenen Internetseite öffentliche Glücksspiele. Dabei bietet sie Casino-Spiele wie Roulette, Blackjack, Baccarat und Slots (Spielautomaten) an. Zwischen September 2018 und November 2019 hatte die Klägerin mit Wohnsitz NRW an die Beklagte einen Betrag i.H.v. insgesamt 385.205 € geleistet. In diesem Zeitraum erfolgten Auszahlungen i.H.v. 252.354 €. Die Klägerin spielte von zu Hause aus, in der Regel am Abend. Tagsüber arbeitete sie zu geregelten Arbeitszeiten. Sie spielte ausschließlich das angebotene Spiel „Jacks or Better Power Poker“, wobei es sich nicht um ein echtes Pokerspiel mit anderen Teilnehmern handelt, sondern um einen Spielautomaten, bei dem gegen die Bank gespielt wird.

In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten fand sich folgender Passus:

„APPLICABLE LAW AND JURISDICTION

For Players playing and using the Videoslots services and Website under the MAG license, these Terms and Conditions shall be governed by the Laws of N.”


Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass die Beklagte die Internetseite illegal betreibe, insbesondere in Deutschland verbotene Casino-Spiele anbiete. Es handele sich um unerlaubtes Glücksspiel, denn das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet seien verboten. Die Beklagte verfüge über keine Lizenz zum Veranstalten öffentlicher Casino-Spiele für NRW. Aufgrund des Glücksspielstaatsvertrages der Länder sei es zudem auch nicht möglich, legal ein Online-Casino in NRW zu betreiben.

Die Klägerin forderte von der Beklagten gerichtlich, die Differenz zwischen der getätigten Einzahlungen und erfolgten Auszahlungen i.H.v. 132.850 € zurückzuzahlen. Das LG gab der Klage statt.

Die Gründe:
Die internationale Zuständigkeit des LG Paderborn für die streitgegenständlichen Ansprüche folgt aus Art. 18, 17 Abs. 1 c) EuGVVO. Danach kann der Verbraucher an seinem Wohnsitz seinen Vertragspartner wegen Streitigkeiten aus einem Vertrag verklagen, wenn sein Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Mitgliedstaats, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Die Klägerin verliert ihre Eigenschaft als Verbraucherin nicht dadurch, dass sie womöglich viele Stunden am Tag Online-Poker gespielt hat. Denn sie handelte nicht gewerblich.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Rückzahlungsanspruch nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung, §§ 812 ff. BGB. Auf den hier zu entscheidenden Sachverhalt findet gem. Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO deutsches materielles Recht Anwendung. Die Klägerin hat somit als natürliche Person ohne Bezug zu einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit als Verbraucherin einen Vertrag mit der Beklagten geschlossen, wobei letztere mit dem Anbieten von Online-Glücksspielen in Ausübung ihrer gewerblichen Tätigkeit handelte (Unternehmer) und diese jedenfalls auch im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts der Klägerin (Deutschland) ausübte, Art. 6 Abs. 1 a) Rom I-VO.

Auch liegt entgegen der Auffassung der Beklagten keine abweichende Vereinbarung durch die AGB der Beklagten vor. Die darin vorhandene Regelung, wonach die Rechtsbeziehung zwischen dem Kunden der Beklagten n Recht unterliegt, ist nämlich unwirksam. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung benachteiligt eine Rechtswahlklausel die Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, weil sich aus ihr nicht klar und verständlich ergibt, welche Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit der Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien entstandene Streitigkeiten gelten sollen. Gem. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Rom-I-VO können die Parteien auch bei abgeschlossenen Verbraucherverträgen das anzuwendende Recht grundsätzlich gem. Art. 3 Rom-I-VO frei wählen.

Die Klägerin hat ihre Spieleinsätze bei der Beklagten gem. nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1.Variante BGB ohne rechtlichen Grund getätigt, da der Vertrag über die Teilnahme an dem von der Beklagten betriebenen Online-Glücksspiel gem. § 134 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV nichtig ist. Im Allgemeinen liegt ein Verstoß gegen das gesetzliche Verbot schon dann vor, wenn die objektiven Merkmale der Norm verwirklicht sind. Dass die Parteien das Verbot gekannt oder infolge von Fahrlässigkeit nicht gekannt haben, ist grundsätzlich nicht erforderlich. Die Beklagte hat mithin gegen diese Verbotsnorm verstoßen, indem sie ihr Online-Angebot im Internet auch Spielteilnehmern aus NRW, mithin der Klägerin, zugänglich gemacht hat.

Das Verbot gem. § 4 Abs. 4 GlüStV ist für den hier streitgegenständlichen Zeitraum, in dem die Klägerin die Einsätze getätigt hat, auch anzuwenden. Es steht im Einklang mit dem Unionsrecht (OLG Köln, Urt. v. 10.5.2019, Az: 6 U 196/18), was insbesondere auch durch das BVerwG bestätigt worden ist (Urt. v. 26.10.2017 – 8 C 18/16, m.w.N.) und dem sich das erkennende Gericht anschließt.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 16.08.2021 13:19
Quelle: Justiz NRW

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