LG Hamburg v. 22.5.2020 – 308 S 6/18

Urheberrechtsschutz eines Fotografieausschnitts

Die Vervielfältigung der Abzeichnung eines Ausschnitts aus einer Fotografie ist regelmäßig als freie Benutzung i.S.d. §24 UrhG zu klassifizieren, wenn dem Fotografieausschnitt nur Lichtbildschutz nach § 72 UrhG zukommt.

Der Sachverhalt:

Die Klägerin, die größte deutsche Nachrichtenagentur, ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte einer Fotografie aus dem Jahr 2012. Die Fotografie zeigt die Ganzkörperaufnahme eines Soldaten in kompletter Ausrüstung, der zu Boden blickt und über ein Feld läuft. Die Fotografie ist von einem Wechsel zwischen Schärfe und Unschärfe geprägt.

Der Beklagte bot in seinem Onlineshop Kleidungsstücke mit der nachgezeichneten Figur des Soldaten an. Daneben fügte der Beklagte der Abbildung den biblischen Satz „Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal fürchte ich kein Unglück“ zu.

Die Klägerin erblickte darin eine Verletzung ihrer ausschließlichen Nutzungsrechte an der Fotografie. Das AG Hamburg wies die Klage ab. Auch die Berufung des Klägers vor dem LG blieb erfolglos. Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig, die Revision ist zugelassen.

Die Gründe:

Die Vervielfältigung der Abzeichnung des Fotografieausschnitts ist rechtmäßig.

Die Fotografie des Soldaten genießt als Ganzes den Schutz als Lichtbild i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG. Der gewählte Bildausschnitt und die eingesetzte Verteilung von Schärfe im Bildvordergrund und Unschärfe im Bildhintergrund bringen ein für die Eröffnung des Werkschutzes ausreichendes Maß an persönlicher und geistiger Schöpfung zum Ausdruck Der reine Bildausschnitt des Soldaten genießt jedoch keinen Werkschutz i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG. Der reinen Abbildung des Soldaten kommt weder im Hinblick auf das Motiv, noch bezüglich des Einsatzes von Schärfe und Unschärfe oder sonstigen gestalterischen Besonderheiten, ein besonderer schöpferischer Gehalt zu.

Der Bildausschnitt genießt jedoch Lichtbildschutz i.S.d. § 72 UrhG. Nach dieser Vorschrift sind auch kleinste Teile eines Fotos urheberrechtlich schutzfähig. Die Abzeichnung des Bildausschnitts, hier des Soldaten, ist dann regelmäßig als freie Benutzung gemäß § 24 UrhG zu klassifizieren.

Für die Prüfung, ob es sich um eine Bearbeitung i.S.v. § 23 UrhG oder um eine freie Benutzung nach § 24 UrhG handelt, kommt es auf die Übereinstimmung im Bereich objektiver Merkmale an, durch die die schöpferische Eigentümlichkeit des Originals bestimmt wird. Wird eine auf einem Lichtbild abgebildete Person abgemalt, liegt, angesichts des geringen Schutzumfangs des § 72 UrhG, regelmäßig eine freie Benutzung i.S.d. § 24 UrhG vor. Der Fotograf hat die fotografierte Person nicht erschaffen, sodass er an deren Umrissen und deren Gestalt grundsätzlich keine Rechte besitzt.

Durch die Umsetzung der Abbildung des Soldaten in Form der Nachzeichnung des Soldaten, wurde eine Entpersonalisierung herbeigeführt. Daneben wurde durch die Hinzufügung eines Textelements ein neuer Assoziationsansatz geschaffen. Dem stehen auch nicht die Regelungen der InfoSoc-Richtlinie entgegen, da die Übernahme der herausgelösten Figur des Soldaten schon nicht in den Schutzbereich des Art. 2 InfoSoc-RL fällt. Der Schutzbereich ist nur eröffnet, wenn der vervielfältigte Teil eines Werkes Elemente enthält, die die eigene geistige Schöpfung des Urhebers zum Ausdruck bringen.


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 03.08.2020 14:55
Quelle: Justizportal Hamburg

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