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Urheberrechtliche Aspekte der Richtlinie 2019/770 (Kuschel/Rostam, CR 2020, 393-400)

Die Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen (DID-RL) soll ausweislich ihres Art. 3 Abs. 9 und des Erwägungsgrundes 36 das Urheberrecht unberührt lassen. Gleichzeitig umfasst ihr Anwendungsbereich Gegenstände, die fast immer urheber- oder leistungsschutzrechtlich geschützt sind. Obwohl die Richtlinie lediglich das Verhältnis zwischen Diensteanbieter (Unternehmer) und Nutzer (Verbraucher) regelt, tritt aus urheberrechtlicher Perspektive ein weiterer Akteur hinzu: der (Urheber-)Rechtsinhaber. Indem die Richtlinie die Rechte und Pflichten von Diensteanbieter und Verbraucher konkretisiert, trifft sie Anordnungen, die auf urheberrechtliche Aspekte ausstrahlen. Damit kann sie mittelbar auf die Vertragsfreiheit der Rechteinhaber Einfluss nehmen. Der Beitrag zeigt die Berührungspunkte von DID-RL und Urheberrecht auf und ermittelt die potentiellen Auswirkungen der DID-RL gegenüber dem status quo bei End User License Agreements (II.), der Weiterveräußerung digitaler Werkexemplare (III.), dem Overblocking rechtmäßig hochgeladener Inhalte (IV.) und der Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte nach Vertragsbeendigung (V.).

Eine Analyse der Bereiche: EULA, Second Hand Market, Overblocking und Nutzung nach Vertragsbeendigung

INHALTSVERZEICHNIS:

I. Urheberrechtliche Relevanz

II. End-User License Agreements (EULA)

    1.Status quo

    2. Auswirkungen der Richtlinie

III. Weiterveräußerung

    1. Status quo

    2. Auswirkungen der Richtlinie

IV. Overblocking

    1. Status quo

    2. Auswirkungen der Richtlinie

        a) Vertragsmäßigkeit
        b) Recht des Verbrauchers

V. Nutzung von Inhalten nach Vertragsbeendigung

    1. Status quo

    2. Auswirkungen der Richtlinie

VI. Fazit

 


 

 

I. Urheber­recht­liche Relevanz

1

Gegen­stand der DID-RL1 sind digitale Inhalte und digitale Dienst­leis­tungen. Während die Definition dieser Begriffe in Art. 2 Nr. 1 und 2 DID-RL wenig konkret ist, sind die in ErwG 19 genannten Beispiele wesentlich aufschluss­reicher. Hiernach sind digitale Inhalte etwa „Compu­ter­pro­gramme, Anwen­dungen, Videoda­teien, Audioda­teien, Musik­da­teien, digitale Spiele, elektro­nische Bücher und andere elektro­nische Publi­ka­tionen“. Vom Begriff der digitalen Dienst­leistung sollen solche Leistungen erfasst sein, „die die Erstellung, Verar­beitung oder Speicherung von Daten in digitaler Form sowie den Zugriff auf sie ermög­lichen, einschließlich Software-as-a-Service, wie die gemeinsame Nutzung von Video- oder Audioin­halten und andere Formen des Datei-Hosting, Textver­ar­beitung oder Spiele, die in einer Cloud-Computing-Umgebung und in sozialen Medien angeboten werden.“ In der Auflistung wird deutlich, dass die Richt­linie ganz überwiegend urheber­rechtlich (etwa als Compu­ter­pro­gramme, Filmwerke, Werke der Musik oder Sprach­werke) oder leistungs­schutz­rechtlich (als Licht- oder Laufbilder sowie durch das Recht des Tonträgers) geschützte Inhalte in den Blick nimmt.

2

Verbraucher, die digitale Inhalte erwerben oder nutzen bzw. digitale Dienst­leis­tungen in Anspruch nehmen, kommen zwangs­läufig mit dem Urheber­recht in Berührung: Jede Kopie eines digitalen Inhalts – sei es im Rahmen des Erwerbs, beim Abspielen, bei der Verän­derung des Speicher­ortes oder bei einem etwaigen Weiter­verkauf – ist zugleich eine urheber­rechtlich relevante Verviel­fäl­tigung. Die urheber­recht­lichen Schranken schaffen gewisse Freiräume der Nutzung, decken den digitalen Werkgenuss aber nicht vollständig ab.2 Hinzu tritt ein weiterer, urhebervertrag­licher Umstand: In der Praxis hat sich der Einsatz von End-User License Agree­ments (EULA) etabliert. Nutzer digitaler Inhalte sehen sich gezwungen, einen (zusätz­lichen) Lizenz­vertrag mit dem Recht­e­in­haber abzuschließen, bevor sie mit der Nutzung beginnen können. Der Recht­e­in­haber kann, muss aber nicht, mit dem Diens­tean­bieter identisch sein.3 Nicht abschließend geklärt ist etwa, wer beim Erwerb von digitalen Inhalten über App-Stores der Diens­tean­bieter im Sinne der Richt­linie ist.4 Sind es die Betreiber der App-Stores, sind Recht­e­in­haber (Urheber bzw. Hersteller der digitalen Inhalte) und Diens­tean­bieter verschiedene Personen. Darüber hinaus können in manchen Konstel­la­tionen auch die Verbraucher Urheber­rechte innehaben, etwa an user-generated content, so dass sich hier die Frage stellt, welche Nutzungs­rechte der Diens­tean­bieter seiner­seits benötigt.

 

II. End-User License Agree­ments (EULA)

3

Nutzer digitaler Inhalte sehen sich vor der Nutzung digitaler Inhalte häufig gezwungen, „Nutzungs­be­din­gungen“ oder „Lizenz­be­din­gungen“ des Herstellers zu akzep­tieren.5 Vor allem bei Compu­ter­pro­grammen ist der Abschluss von EULA zwischen Hersteller und Nutzer seit langem üblich.6

 

1. Status quo

4

Da EULA Vertrags­be­din­gungen enthalten, die für eine Vielzahl von Fällen vorfor­mu­liert sind, handelt es sich um allge­meine Geschäfts­be­din­gungen (§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB ), die an den §§ 305 ff. BGB zu messen sind.7 Das bedeutet, dass schon ihre wirksame Verein­barung (...)

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 15.06.2020 13:18

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