BGH v. 12.7.2018 - I ZR 74/17

Verwechslungsgefahr zwischen Zeichen im IT-Bereich

Bei der Feststellung der klanglichen Ähnlichkeit spricht der Umstand, dass bei der Aussprache einer mehrsilbigen Klagemarke, nicht aber der angegriffenen Bezeichnung zwischen einzelnen Silben eine Lippenumformung zu erfolgen hat (hier: Übergang von "com-" zu "-bit"), wegen der Möglichkeit der undeutlichen Aussprache für die Ähnlichkeit der Zeichen.

Der Sachverhalt:

Die Klägerin ist ein in Konstanz ansässiges Unternehmen, das sich mit der Entwicklung, Herstellung und Vermarktung von Hard- und Software in der Computerbranche sowie Serviceleistungen und Schulungen hierfür befasst. Sie vertreibt die Software "combit Relationship Manager", "combit CRM Software" und "combit Adress Manager" für Unternehmen jeglicher Branche. Die Klägerin ist u.a. Inhaberin der Unionswortmarke Nr. 001729367 "combit".

Die Beklagte ist ein Unternehmen mit Sitz in Israel, das über seine Homepage weltweit Computerprogramme anbietet. Diese Homepage verfügt über einen "e-Store", der im Zeitpunkt der beanstandeten Verletzungshandlung in deutscher Sprache abrufbar war und über den Produkte zur Lieferung nach Deutschland bestellt werden konnten. Die Beklagte vertreibt zudem eine Professional-Service-Automation-Software mit der Bezeichnung "Commit CRM" an IT-Dienstleistungsunternehmen. CRM ist die Abkürzung für "Customer Relationship Management".

Die Klägerin hielt die Bezeichnung "Commit" für Software für markenverletzend. Sie hat die Beklagte im August 2010 erfolglos abgemahnt. Nach Erhalt der Abmahnung programmierte die Beklagte ihre Homepage so, dass von Deutschland aus die Seite nicht aufgerufen und auch keine Produkte bestellt werden konnten. Daraufhin hat die Klägerin gerichtlich beantragt, die Beklagte unter Androhung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, in der EU im geschäftlichen Verkehr ohne Zustimmung der Klägerin die Bezeichnung "Commit" für Software zu verwenden und/oder unter der Bezeichnung Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen und/oder das Zeichen in der Werbung zu benutzen.

Das LG hat der Klage für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG zunächst den EuGH zur Vorabentscheidung angerufen und die Berufung nach dessen Entscheidung zurückgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.

Gründe:

Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Klägerin die Klagemarken rechtserhaltend benutzt hatte und ob die angegriffene Verwendung durch die Beklagte markenmäßig erfolgt war. Beides ist mithin für die Revisionsinstanz zugunsten der Klägerin zu unterstellen.

Die Prüfung der Verwechslungsgefahr durch das Berufungsgericht war nicht frei von Rechtsfehlern. Insbesondere ist die Annahme, die bildliche und klangliche Zeichenähnlichkeit werde durch den abweichenden Sinngehalt des englischen Worts "commit" neutralisiert, nicht frei von Rechtsfehlern. Bei der Feststellung der klanglichen Ähnlichkeit spricht der Umstand, dass bei der Aussprache einer mehrsilbigen Klagemarke, nicht aber der angegriffenen Bezeichnung zwischen einzelnen Silben eine Lippenumformung zu erfolgen hat (hier: Übergang von "com-" zu "-bit"), wegen der Möglichkeit der undeutlichen Aussprache gerade für die Ähnlichkeit der Zeichen.

Klangliche Unterschiede dürften angesichts der vom LG zutreffend angenommenen Möglichkeit undeutlicher Aussprache kaum Gewicht erlangen. Die Annahme, dass begriffliche Unterschiede zwischen zwei Zeichen ihre vorhandenen klanglichen Ähnlichkeiten neutralisieren können, erfordert die Feststellung, dass zumindest einem der betroffenen Zeichen gerade bei der im Streitfall in Rede stehenden Verwendung für bestimmte Waren oder Dienstleistungen aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise ein eindeutiger und bestimmter, ohne weiteres erfassbarer Sinngehalt zukommt.

Das Berufungsgericht hat letztlich zu Unrecht darauf abgestellt, dass im Streitfall als angesprochene Verkehrskreise ausschließlich der englischen Sprache mächtige Abnehmer in Betracht kommen. Denn bestand die als Markenverletzung angegriffene Handlung im Angebot von Produkten über eine (auch) deutschsprachige Internetseite, so ändert eine nachträgliche Umstellung des Vertriebs auf eine fremdsprachliche Internetpräsenz nichts daran, dass sich die Angebotshandlung jedenfalls auch an den deutschsprachigen Verkehr richtete.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 04.01.2019 14:45
Quelle: BGH online

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