Aktuell im ITRB

AfD-Meldeportale aus datenschutzrechtlicher Sicht (Assion, ITRB 2018, 279)

Der Beitrag setzt sich mit der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Lehrer-Meldeportale auseinander, die derzeit in verschiedenen Bundesländern von AfD-Landtagsfraktionen betrieben werden. Er kommt zu dem Ergebnis, dass für die Landtagsfraktionen weder die DSGVO noch die Landesdatenschutzgesetze einschlägig sind. Für die AfD-Parteigliederungen ist die DSGVO jedoch anwendbar. In jedem Fall liegt eine Verletzung der Grundrechte der betroffenen Lehrer vor. Die AfD-Meldeportale sind aus diesem Grund rechtswidrig; es bestehen verschiedene Eingriffs- und Rechtschutzmöglichkeiten.


I. Ausgangssituation

II. Rechtspolitische Relevanz

III. Anwendbarkeit der DSGVO

IV. Anwendbarkeit der Landesdatenschutzgesetze

V. Grundrechte der Lehrer

1. Grundrechtsverpflichtung der AfD-Fraktionen

2. Verhältnismäßigkeit

a) Legitimer Zweck

b) Geeignetheit

c) Erforderlichkeit

d) Angemessenheit

e) Keine Vergleichbarkeit mit der Spickmich-Entscheidung des BGH

f) Ergebnis

VI. Justiziabilität

1. Einschreiten der Datenschutzbehörde

2. Einschreiten der parlamentarischen Selbstverwaltung

3. Einschreiten der allgemeinen Ordnungsbehörden

4. Rechtsschutz vor Gericht

a) Klagegegner

b) Rechtsweg

c) Klagearten und Zulässigkeit

VII. Zusammenfassung



I. Ausgangssituation

Verschiedene Landesparlamentsfraktionen der AfD haben in den letzten Wochen sog. Meldeportale online gestellt, mittels derer Schüler und Eltern Informationen über Lehrer übermitteln können, die vermeintlich ihre Neutralitätspflicht im Unterricht verletzt haben. Diese Meldeportale werden sehr kontrovers diskutiert, ihre datenschutzrechtliche Zulässigkeit ist bislang aber kaum aufgearbeitet. Dieser Beitrag betrachtet exemplarisch die Rechtslage in Hamburg und Baden-Württemberg, geht aber auch auf Besonderheiten in anderen Landesrechtsordnungen ein.

Außer Betracht bleibt vorliegend die Frage, ob die AfD-Meldeportale aus anderen Gründen rechtswidrig sind. In Betracht kommt hier vor allem eine Anwendbarkeit allgemeinen Ordnungsrechts, da die Portale den Schulfrieden und damit die öffentliche Ordnung stören. Im Hinblick auf Meldeportale, bei denen auch ein Upload von Fotos möglich ist, stehen außerdem Verstöße gegen das KUG im Raum. Auch dieser Aspekt bleibt hier außen vor.

II. Rechtspolitische Relevanz

Das Datenschutzrecht wurde geschaffen, um zu vermeiden, dass Bürger sich von den Möglichkeiten der modernen Datenverarbeitung insb. beim Gebrauch ihrer Grundrechte einschüchtern lassen. Das Datenschutzrecht soll dabei gerade auch die Unbefangenheit der Bürger in ihrer Rolle als Staatsbürger sichern. Denn eine lebendige Demokratie ist angewiesen auf Bürger, die ihre Grundrechte lebhaft nutzen und sich am demokratischen Diskurs beteiligen. Es geht, in den Worten des BVerfG, auch um „das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist.“

Dieser datenschutzrechtliche Allgemeinplatz wird hier vorangestellt, weil er deutlich macht, an welchen Zielen die Sinnhaftigkeit des real existierenden Datenschutzrechts letztlich zu messen ist. Eine Datenschutzrechtsordnung, der es nicht gelingt, ausgerechnet eine Datenverarbeitung zu unterbinden, die im politischen Bereich massive Einschüchterungseffekte erzeugt, versagt.

Wie die nachfolgenden Überlegungen zeigen, schneidet das derzeit geltende Datenschutzrecht an diesem Maßstab gemessen nicht gut ab, wenn es um die AfD-Meldeportale geht. Die parlamentarische Arbeit von Landtagsfraktionen wird weitestgehend nicht erfasst. Es bleibt aber bei der Anwendbarkeit der Grundrechte der betroffenen Lehrer.

III. Anwendbarkeit der DSGVO

Nach eigener Auskunft werden die Meldeportale von den jeweiligen AfD-Fraktionen in den Landesparlamenten angeboten, nicht von Parteigliederungen.

Auf Tätigkeiten der Fraktionen der Landesparlamente ist die DSGVO jedoch nicht anwendbar. Diese Auffassung ist, soweit ersichtlich, in der Literatur mittlerweile unstrittig. Dies folgt aus Art. 2 Abs. 2 lit. a DSGVO: Die DSGVO findet demnach keine Anwendung auf (...)
 


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 03.12.2018 10:38
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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