AG Bielefeld 28.3.2018, 42 C 309/17

Zur Schadensschätzung können verkehrsübliche Entgeltsätze für legale Downloadangebote im Internet herangezogen werden

Schon der Vortrag einer Mutter, dass sie nicht wisse wie über eine Tauschbörse an eine Datei gelangt werden kann, spricht gegen eine ordnungsgemäße Aufklärung der Kinder durch sie. Nach Rechtsauffassung des BGH (Urt. v. 11.6.2015, Az.: I ZR 7/14) können im Rahmen der Schadensschätzung verkehrsübliche Entgeltsätze für legale Downloadangebote im Internet herangezogen werden.

Der Sachverhalt:

Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an dem "Metro Last Light", das im Mai 2013 veröffentlicht und zu einem durchschnittlichen Verkaufspreis von 29,99 € angeboten wurde. Zum Zweck der Verfolgung widerrechtlicher Verbreitungen von geschützten Werken hatte die Klägerin die F-GmbH mit der Überwachung bestimmter Peer-to-Peer-Netzwerke beauftragt. Für einen Zeitraum Oktober 2013 bis Januar 2014 teilte die F-GmbH der Klägerin mit, dass das streitgegenständliche Computerspiel zum Download angeboten worden sei über den Filesharing-Client "µTorrent 3.2.3" von einem unbekannten Nutzer mit verschiedenen IP-Adressen.

Die Klägerin erwirkte beim LG Köln (Az: 222 O 181/13, Az: 237 O 187/13 und Az: 225 O 5/14) gegenüber dem Internetserviceprovider die Gestattung, Auskunft zu erteilen über Namen und Anschrift der Nutzer, denen u.a. die streitgegenständlichen IP-Adressen zugewiesen waren. Der Internetprovider der Beklagten erteilte sodann die Auskunft, dass die streitgegenständlichen IP-Adressen zu den streitgegenständlichen Zeitpunkten dem Anschluss der Beklagten zugewiesen gewesen seien. Die Klägerin forderte die Beklagte daraufhin mit anwaltlichem Schreiben vom 13.2.2014, das sich lediglich auf die streitgegenständlichen Verstöße aus dem Jahr 2013 bezog, zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf und bot gleichzeitig an, Schadens- und Aufwendungsersatzansprüche der Klägerin durch Zahlung eines pauschalen Vergleichsbetrages i.H.v. 800 € abzugelten. Die Beklagte gab eine Unterlassungserklärung ab. Zahlungen nahm sie nicht vor.

Die Beklagte trug vor, dass sie – abgesehen von dem Kartenspiel Solitär - keinerlei Computerspiele spiele. Das streitgegenständliche Computerspiel sei ihr nicht bekannt. Neben ihr hätten auch ihr damals 14 Jahre alter Sohn und die damals 11 Jahre alte Tochter Zugriff auf ihren Internetanschluss gehabt. Ihre Kinder hätten zwar Computerspiele gespielt, diese jedoch mittels ihres ersparten Taschengeldes erworben. Sie könne nicht ausschließen, dass die streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzungen durch einen Hacker von einem vor der Wohnung gelegenen Parkplatz oder von einem der Kinder durchgeführt worden sei. Sie habe ihre Kinder aber ausdrücklich verboten Filesharing-Börsen zu nutzen.

Das AG gab der Klage statt.

Die Gründe:

Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 750 € gem. § 832 Abs. 1 BGB. Die Klägerin hat gegen die Beklagte zudem einen Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten i.H.v. 745,40 € gem. § 832 Abs. 1 BGB.

Die Beklagte war gem. §§ 1626, 1631 BGB als Mutter zur Aufsicht über ihre zum Tatzeitpunkt minderjährigen Kinder verpflichtet. Das Gericht ist davon überzeugt, dass eines der beiden Kinder der Beklagten, die streitgegenständlichen Rechtsverletzungen begangen hat. Beide Kinder kommen auch nach den Einlassungen der Beklagten als Täter in Betracht, da diese auch im streitgegenständlichen Zeitraum Computerspiele gespielt haben. Die Beklagte hat keinerlei Anhaltspunkte vorgetragen, dass ihr Anschluss gehackt worden war. Weiterhin sprechen die streitgegenständlichen Ermittlungen gegen eine Rechtsverletzung durch einen Hacker vom nahegelegenen Parkplatz aus. Denn das würde bedeuten, dass der Hacker sich in einem Zeitraum von drei Monaten drei Mal nachts mit seinem Endgerät auf dem Parkplatz befunden und das streitgegenständliche Computerspiel heruntergeladen haben musste. Dies hält das Gericht allerdings für abwegig.

Die Beklagte hat auch nicht bewiesen, dass sie ihrer Aufsichtspflicht nachgekommen ist. Eltern sind verpflichtet, die Internetnutzung ihres minderjährigen Kindes zu beaufsichtigen, um eine Schädigung Dritter durch das Kind zu verhindern. Allerdings genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Die Beklagte hat zwar vorgetragen, dass sie mit ihren Kindern über Tauschbörsen gesprochen und ihnen die Nutzung verboten habe. Bei den Einlassungen kann es sich aber auch um an die Rechtsprechung des BGH angepasste Schutzbehauptungen handeln. Schon der Vortrag der Beklagten, dass sie nicht wisse wie über eine Tauschbörse an eine Datei gelangt werden kann, spricht gegen eine ordnungsgemäße Aufklärung der Kinder durch die Beklagte.

Letztlich ist auch der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatz in Höhe angemessen. Nach Rechtsauffassung des BGH (Urt. v. 11.6.2015, Az.: I ZR 7/14) können im Rahmen der Schadensschätzung verkehrsübliche Entgeltsätze für legale Downloadangebote im Internet herangezogen werden. Das Gericht ist hierbei von einem Mindestpreis für den legalen Download eines Computerspiels von 20,00 EUR ausgegangen. Dies ergibt sich daraus, dass die streitgegenständliche Rechtsverletzung ca. fünf Monate nach der Erstveröffentlichung und damit noch in der Erstverwertungsphase stattfand. Nach den Erfahrungen des erkennenden Gerichts sind legale Downloads von aktuellen Computerspielen nicht weitaus günstiger als der Kauf eines Computerspieles im Einzelhandel.

Das Gericht schätzt hier gem. § 287 ZPO auf mindestens 40 Zugriffe. Dies ergibt sich daraus, dass sich das streitgegenständliche Computerspiel zu Beginn des streitgegenständlichen Zeitraumes in der Erstverwertungsphase befand und damit auch in Tauschbörsen beliebt gewesen sein dürfte. Weiterhin wurde das streitgegenständliche Computerspiel über einen Zeitraum von ca. drei Monaten über den Anschluss der Beklagten zum Herunterladen angeboten. Auch wenn zugunsten der Beklagten anzunehmen ist, dass das Anbieten des streitgegenständlichen Spieles nicht die gesamten drei Monate durchgehend erfolgte, so ist jedoch davon auszugehen, dass trotzdem über eine längeren Zeitraum ein Anbieten zum Herunterladen erfolgt ist.

Linkhinweis:


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 16.11.2018 14:25
Quelle: www.justiz.nrw.de

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