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Kritische Schnittstellen zwischen der Projektmethodik "SCRUM" und juristischer Vertragsgestaltung (Sarre, CR 2018, 198)

Welche Themen werden in komplexen IT-Projekten durch den Einsatz der agilen Projektmethode „SCRUM“ aufgeworfen und welche Lösungsansätze müssen für die juristische Vertragsgestaltung ausgearbeitet werden? Dieser Beitrag geht zunächst auf die wesentlichen Merkmale agiler Projektmethoden ein und zeigt dann am Beispiel von SCRUM konkret auf, wo Regelungslücken im Sinne von kritischen Schnittstellen zur juristischen Vertragsgestaltung bestehen und welche Detailregelungen getroffen werden können und müssen. Die Vorschläge des Beitrags stellen dabei Regelungsoptionen aus technischer Sicht dar, um der genauen Ausformulierung des juristischen Vertragstexts nicht vorzugreifen.

Inhaltsverzeichnis:

I. Einleitung

II. Agile Projektmethoden der Informatik
1. Überblick und generelle Eigenschaften agiler Projektmethoden
2. SCRUM

III. „Lücken“ von SCRUM und Lösungsoptionen
1. Anwendungsvoraussetzungen für SCRUM
2. Vorbereitung eines Scrum-Projekts
3. Projektverantwortung und -organisation
4. Spezifikationsumfang und –tiefe
5. Planung eines Sprints
6. Durchführung eines Sprints und Rolle des IT-Konzepts
7. Dokumentationen und Quellcode
8. Sprint Reviews und die Problematik der Teilabnahmen
9. Vergütung der Leistungen nach Abschluss eines Sprints
10. Gesamtabnahme
11. Ausstieg aus dem Projekt

IV. Fazit

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I. Einleitung

Unter suboptimalen Einsatzbedingungen haben sich Projektmethoden, die auf dem Wasserfallmodell basieren, für nicht-triviale IT-Projekte zum Teil als aufwendig und schwerfällig erwiesen. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass die strikt sequenzielle Abfolge von Spezifikation, IT-Design und Implementierung in aller Regel dazu führt, dass nicht rasch genug auf neue Anforderungen und Erkenntnisse reagiert werden kann. Häufig entstehen hierdurch bei IT-Projekten – insbesondere bei komplexen Softwareentwicklungsprojekten – vergleichsweise hohe Kosten und nennenswerte zeitliche Verzögerungen.

Zwar propagieren die Befürworter von agilen Methoden stets das Prinzip „schlankes Projekt – schlanker Vertrag“, die Erfahrungen in der Praxis zeigen jedoch, dass auch für agile Projekte eindeutige, zum Teil nicht mehr als „schlank“ zu bezeichnende Vereinbarungen erforderlich sind, und zwar insbesondere im Hinblick auf das „Miteinander“ der Vertragspartner, aber auch, um sicherzustellen, dass ein durchzuführendes Projekt „justiziabel“ ist und bleibt. Vor diesem Hintergrund erscheint es naheliegend, anhand der weit verbreiteten Projektmethode „SCRUM“ näher zu betrachten, welche Fragestellungen in der ursprünglichen Definition dieses Vorgehensmodells offen geblieben sind und welche Lösungsoptionen aus technischer und juristischer Sicht gerade im Hinblick auf die Gestaltung eines tragfähigen, praxistauglichen IT-Projektvertrags existieren und angeraten sind.

II. Agile Projektmethoden der Informatik

1. Überblick und generelle Eigenschaften agiler Projektmethoden

In dem Manifest für agile Softwareentwicklung wurden im Hinblick auf die Grundprinzipien agiler Methoden bereits im Jahr 2001 folgende Aussagen formuliert:

  • Individuals and interactions over processes and tools
  • Working software over comprehensive documentation
  • Customer collaboration over contract negotiation
  • Responding to change over following a plan

Durch diese Aussagen wird zum Ausdruck gebracht, dass die herkömmlichen Institute wie festgelegte Prozesse, Werkzeuge, Projektdokumentationen, Vertragsverhandlungen und Projektpläne gegenüber der Interaktion im Team, einer lauffähigen Software, der (engen) Kooperation mit den Kunden und der Fähigkeit, rasch auf Änderungen reagieren zu können, als weniger wichtig angesehen werden.

In der Praxis haben sich seit der Publikation des agilen Manifests zahlreiche agile Projektmethoden etabliert. Diese Methoden haben gemeinsam, dass die Anforderungen an das herzustellende Produkt erst während der Laufzeit des Projekts erhoben und weiter verfeinert werden und dass versucht wird, mit möglichst wenig „Bürokratismus“ im Sinne des agilen Manifests auszukommen. Die Projektmethode, die sich am weitesten verbreitet hat, ist SCRUM. Die grundlegenden Ideen von SCRUM wurden bereits Mitte der achtziger Jahre publiziert. Etwa 15 Jahre später veröffentlichten Sutherland und Schwaber ein Richtlinienpapier über SCRUM, nachdem sie das Modell über mehrere Jahre hinweg in ihren eigenen Firmen genutzt hatten.

2. SCRUM

a) Grundprinzip

SCRUM basiert auf der Erkenntnis, dass es in vielen Fällen Vorteile mit sich bringt, ein komplexes Softwareentwicklungsvorhaben iterativ voranzutreiben, wobei in jeder Iteration – in SCRUM als „Sprint“ bezeichnet – ein weiterer Ausbau bzw. eine weitere Verfeinerung des zuvor entwickelten (Software-) Produkts vorgenommen wird. Dieses Vorgehen unterstützt nicht nur den Softwarelieferanten (Auftragnehmer), sondern auch den Kunden (Auftraggeber), seine Anforderungen in Anbetracht der bislang entwickelten Zwischenergebnisse immer weiter zu ergänzen und zu verfeinern. Vom Prinzip her sieht SCRUM vor, dass am Ende jeder Iteration/jedes Sprints ein lauffähiges Softwareprodukt vorliegt, das der Kunde auch tatsächlich einsetzen könnte.

b) Rollen in SCRUM

In SCRUM sind die nachfolgenden Rollen vorgesehen:

 

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 14.03.2018 18:32

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